Freitag, 1. Juli 2011

Unschuldsvermutung und Verhältnismäßigkeit

Die Anklage gegen Strauß-Kahn könnte zusammenbrechen, heißt es, weil der einzigen Belastungszeugin nachgewiesen wurde, mehrmals gelogen zu haben.
Aus dem Kachelmann-Prozess wissen wir, dass eine Lüge auf einem anderen Feld noch nicht als Beweis für eine Lüge in der Hauptsache gelten muss.
Es ist auf jeden Fall sehr schwierig, sich ein Urteil zu bilden, weil - wie bei Kachelmann - Aussage gegen Aussage steht und die übrige Beweislage dünn ist. [Geschrieben ohne Kenntnis der durchaus aussagekräftigen Indizien, die freilich keine Vergewaltigung beweisen, Fonty]
So viel ist aber sicher. Die Unschuldsvermutung, die für einen Angeklagten vor Gericht zu gelten hat, ist in der veröffentlichten Meinung auf breiter Front fallen gelassen worden. Nach anfänglichem Erschrecken und großen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens erging sich die Presse in ausführlichen Erörterungen über den Zusammenhang zwischen männlicher Macht und ihrer Ausnutzung für sexuelle Nötigung.
War das unvermeidbar? Hätte man nicht aus dem Fall Kachelmann lernen können?
Die gegenwärtige Beweislage (2.7.11)
Nachträglich Versuche der Differenzierung (2.7.11)

Ein anderer Fall:
Die Fernsehpersönlichkeit des Vorjahres war beschuldigt, für 70 p (das entsprach damals etwa 3 DM) gestohlen zu haben. Ihr Fall kam in London vor Gericht. In allen großen Zeitungen kam - meist auf der ersten Seite - ein Bericht mit Bild. Die Person wurde verurteilt. Drei Tage darauf beging sie Selbstmord.
Wir brauchen die Massenmedien als 4. Gewalt zur Kontrolle der Machteliten. Wir brauchen sie auch zur Kontrolle der Justiz. Was wir nicht brauchen, sind Vorverurteilungen und ein extrem erhöhtes Stramaß durch Rufmord.

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