Montag, 31. Dezember 2012

Kanzlergehalt

Zu Kiesingers Zeiten hat es mich noch verwundert, dass er laut einer Illustrierten (Stern?) mit 10 000 DM im Monat weniger bekam als ein Durchschnittscallgirl.
Heute dürfte es zum Allgemeinwissen gehören, dass bei gleicher Befähigung ein Mann etwa 30% mehr verdient als eine Frau und ein Manager 10 bis 100 mal so viel wie ein Politiker. (Wer die genauen Zahlen hat, möge mich korrigieren.)
Wenn ZEIT online schreibt: "SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stößt die nächste Gehaltsdebatte an: Die Einkünfte der Kanzlerin sind ihm zu niedrig – jeder Sparkassendirektor verdiene mehr", so hat gewiss ein Journalist hart gearbeitet, bis er die Rechtfertigung für eine solche Meldung beisammen hatte. Gewiss wollte Steinbrück keine Debatte anstoßen, sondern der Journalist die Meldung haben.
Aber: Wenn ein Kanzlerkandidat schon gegen den Willen eines Großteils seiner Partei bestimmt wird, dann dürfen die Mitglieder von ihm erwarten, dass er sich wengstens professionell verhält. Wer weder als Ministerpräsident noch als Finanzminister gelernt hat, Fragen auszuweichen, der muss schon erhebliche Qualitäten haben, um das in diesem politischen System auszugleichen.

Samstag, 29. Dezember 2012

Was die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache nicht sagen wird

Stephan Hebel hat in der Frankfurter Rundschau einen informierten Blick in die Zukunft getan und zusammengestellt, was sie sagen könnte, aber nicht sagen wird. Statt dessen werde sie weiter Märchen erzählen.
In einer fiktiven Ansprache lässt er sie sagen:

  • "Ich könnte Ihnen heute erzählen, was die europäische Finanzkrise mit deutscher Lohnsenkungspolitik, mit einseitiger Exportorientierung und Steuerdumping zu tun hat."
  • "Ich könnte Ihnen erzählen, dass [...] wir sogar an der Euro-Krise verdienen ..."
  • "Ich könnte Ihnen erzählen, wie sehr uns deutschen Politikern die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge am Herzen liegt"
Und er ist überzeugt, sie wird es nicht tun. 

Selten hat er mir so sehr aus dem Herzen gesprochen. 
Freilich, er nennt seinen Kommentar "Märchenstunde mit Angela Merkel". Mir schiene die Überschrift "Merkel will uns verkohlen und verkohlt dabei mehr und mehr" etwas passender. 

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Vergleich Wulff - Fitschen

Wulff bildete sich ein, seine Kooperation mit der BILD dauerte unbegrenzt an und drängte nach einer besseren Presse - für sich.
Fitschen denkt, deutsche Regierungschefs wären schon bereit, öffentlich den Berlusconi zu geben und offen gegen die verfassungsmäßige Gewaltenteilung zu kämpfen.
Dass der BILD folgend immer mehr Presseorgane das Spiel spielen, Poltiker ohne inhaltliche Rechtfertigung hochzujubeln und sie später nach einer kaum geänderten Faktenlage zu verdammen, ist zwar nicht gut; aber es ist nur eine Übersteigerung dessen, was die BILD schon seit Jahrzehnten gemacht hat.

Wenn aber Wirtschaftsvertreter das begründete Vertrauen entwickeln, die Banken seien so systemrelevant, dass der Staat das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung für sie abschaffen werde, dann birgt das als Angriff auf unser Gemeinwesen eine noch größere Gefahr als die Spiegel-Affaire.
Die Presse reagiert aber erstaunlich zurückhaltend. Warum wohl?

Banken bedienen sich, machen aber nicht ihren Job


"Derzeit hat die [Europäische] Zentralbank alle Schleusen weit geöffnet", schreibt Spiegel online. "Sie pumpt immer mehr Geld ins Finanzsystem. Unter normalen Umständen würde dieses Geld schnell in Form von neuen Krediten bei den Unternehmen und Privathaushalten ankommen - die Geldmenge würde rasant wachsen, die Gefahr von Inflation wäre groß.
Doch die Notenbanker haben derzeit ganz andere Probleme als Inflation. Ihr Geld kommt nicht im Wirtschaftskreislauf an. Viel zu oft verzichten die Banken derzeit auf Rendite und parken ihr Geld nahezu unverzinst bei Daubes Finanzagentur, anstatt es zu höheren Zinsen, aber auch mit höherem Risiko an Unternehmen zu verleihen. [...]  "Die Liquidität hat die Realwirtschaft nicht wirklich erreicht", sagt Draghi, der Chef der EZB.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Was Öffentlichkeit für ein Unheil anrichten kann

Unvergesslich ist mir der Fall einer Fernsehpersönlichkeit des Jahres in Großbritannien, die in einem Supermarkt für 70 Penny gestohlen hatte. Ihr Bild wurde zusammen mit einem Bericht über ihren Prozess im Fernsehen gezeigt und in den großen überregionalen Zeitungen auf der ersten eite abgedruckt. Innerhalb von drei Tagen beging sie Selbstmord.

Jetzt geht es um den Fall einer 46-jährigen Krankenschwester, die einem Betrug zum Opfer fiel. Sie stellte einen Anruf, den sie fälschlicherweise für den von Königin Elisabeth und Kronprinz Charles hielt, zur schwangeren Herzogin von Cambridge durch. Jetzt ist sie tot. Ob Selbstmord vorliegt, ist nicht sicher. Die Moderatoren eines australischen Rundfunksenders, die den Anruf ausführten, zeigen allerdings große Betroffenheit.
Nicht jeder ist so dickhäutig wie Roland Koch und Helmut Kohl, die schwere Vorwürfe, die gegen sie öffentlich erhoben wurden, einfach abschüttelten.
Die Krankenschwester stammt aus Indien und hatte sich nichts als Gutgläubigkeit vorzuwerfen. Dass dies aber in der gesamten Öffentlichkeit bekannt war, hat sie offenbar nicht ertragen. (Premier Cameron spricht schon jetzt von Suizid.)
Heinrich Böll hat eindrucksvoll geschildert, wie eine Person darunter leiden kann, wenn sie öffentlich bloßgestellt wird ("Die verlorene Ehre der Katharina Blum").

In den hier angesprochenen Fällen geht es aber nicht um die fiktive Darstellung eines Rufmordes, sondern um die Gedankenlosigkeit  und fehlende Empathie von Journalisten.
Nicht nur, was bei Facebook steht, kann Leben zerstören.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Steuerehrlichkeit ist schlecht für die Wirtschaft ...

"... der Trend zu mehr Ehrlichkeit wirkt wie eine Steuererhöhung - und die ist Gift für eine ohnehin schwache Wirtschaft", teilt uns Wolfgang Münchau in Spiegel online mit. "Der eigentliche wirtschaftliche Effekt der Steuer-CDs sind nicht die paar hundert Millionen, die man jetzt von den Sündern kassieren wird. Wichtiger ist der größere, aber nicht messbare Effekt von Steuerdelikten, die in der Zukunft nicht mehr stattfinden."
Und darin liege die Gefahr.

Jetzt weiß man endlich, weshalb die griechische Wirtschaft in Schwierigkeiten geraten ist:
Beamte und Bürger waren zu ehrlich. Vor allem in Zeiten schlechter Konjunktur muss man betrügen!

Ich warte noch auf den allgemeinen Aufruf des Finanzministers: "Zahlt keine Steuern!"

Aber nein, das könnten die Normalbürger missverstehen. Der Aufruf ergeht nur insgeheim. Wer ihn wie die drei besagten hessischen Wirtschaftsprüfer boykottiert, wird abgehalftert, zur Not mit gefälschten Gutachten.

Aber so will es Münchau wiederum auch nicht gesagt haben. Man könne ja auch ganz offiziell Steuern senken.

Hinweis von Spiegel online:
Wolfgang Münchau ist Associate Editor und Kolumnist der "Financial Times" und Mitbegründer von www.eurointelligence.com, einem Informationsdienst über den Euro-Raum. Er gründete die "Financial Times Deutschland" mit und war deren Co-Chefredakteur.

Und noch ein Zitat von Münchau zur Klarstellung:
"Wenn am Ende alle ihre Steuern bezahlen, müsste man doch im Gegenzug die Steuersätze senken, um den Einkommenseffekt auszugleichen. Das wäre auch die richtige Maßnahme, wenn man die Steuerbasis jetzt erweitert. Das wird aber nicht passieren, weil die Regierungen die Summen aus dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung schon verplant haben. Sie haben also bewusst die Steuern erhöht und verdecken das."

Montag, 3. Dezember 2012

Deutscher Waffenexport

70 % der deutschen Waffenproduktion gehen in den Export. Die schwarzgelbe Bundesregierung hält sich noch weniger als frühere Regierungen an die offiziell festgeschriebene Regelung, dass Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen. Dabei wird äußerste Geheimhaltung beobachtet. Die Öffentlichkeit wird immer erst nach den Lieferungen informiert.
Doch immer wieder sickert etwas durch. So jetzt die Nachricht von Panzern für Saudi-Arabien und bunkerbrechender Munition für Israel.

Zwei Begründungen werden dafür meist ins Feld geführt:
1. Besser, als deutsche Soldaten zu entsenden, sei es, die betroffenen Länder selbst ihre Verhältnisse regeln zu lassen.
2. Wenn die deutsche Rüstungsindustrie allein von bundesdeutschen Aufträgen lesen müsste, wären wegen des niedrigeren Umsatzes die Waffen für Deutschland nicht bezahlbar. Mittelfristig müssten dann alle Waffen in den USA gekauft werden.

zu 1: Man weiß, was die Waffenlieferungen an die Taliban für Afghanistan gebracht haben.
zu 2: In der Konsequenz dieses Argumentes müsste Deutschland auch seinen Gegnern Waffen liefern, damit sie bezahlbar bleben.

Ausführlicher dazu: Steffen Hebestreit in der Frankfurter Rubdschau vom 3.12.12

Meine bisherigen Stellungnahmen zum Rüstungsexport