Sonntag, 26. Mai 2013

Schamland - Mit welchen Folgen verteilen Tafeln Überschussproduktion?

"Lebensmittelhersteller produzieren stets 120 bis 140 Prozent des Bedarfs, damit Engpässe, Verkaufsschwankungen, Transportprobleme und andere Störungen ausgeglichen werden können. 20 bis 40 Prozent werden also bewusst für den Müll produziert." Das schrieb Stefan Selke schon am 10.1.2009 in der Frankfurter Rundschau. 
Weiter führte er aus:
"Insgesamt holen die Tafeln jährlich gut über 100 000 Tonnen brauchbare Lebensmittel ab. Das geht sogar so weit, dass einige Tafeln Mitarbeiter abstellen, die in den Supermärkten die Restware aussortieren. Die Supermärkte sparen auf diese Weise Personalkosten, den Tafeln ist dadurch immer eine Mindestmenge an Lebensmitteln garantiert.
Soziale Gründe spielen für die Spender-Unternehmen nur eine untergeordnete oder eine vorgeschobene Rolle. "Das spielt wohl auch mit rein", formuliert ein Marktleiter den sozialen Aspekt vorsichtig, "sicher bin ich mir aber nicht. Uns wurde damals gesagt, dass wir dadurch eben viel Geld sparen können. Wenn wir die Lebensmittel nicht spenden würden, müssten wir sie ja verschrotten. Und das kostet eben."
Trotz dieser doppelten Nützlichkeit - für Kunden und Spender - haben die meisten Tafeln heute mit wachsenden Problemen zu kämpfen. Sie müssen immer schneller reagieren, der Kundenstamm wächst schneller als die eigenen Strukturen."
Inzwischen ist Selke mit seinem Buch "Schamland. Die Armut ist mitten unter uns" 2013 hervorgetreten, in dem er die Tatsache, dass in Deutschland mittlerweile 900 Tafeln Lebensmittel verteilen, als eklatantes Versagen der Politik deutet.
So schreibt er im Vorwort seines Buches:
 "Wenn die Zivilgesellschaft die Versäumnisse des Sozialstaats kompensieren muss und sich Daseinsfürsorge vermehrt in privaten Almosensystemen erschöpft, wird zivilgesellschaftliches Engagement nicht nur genutzt, sondern ausgenutzt".

Leseprobe aus "Schamland"
Eine Diskussion über das Buch ist hier nachzulesen.

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