Dienstag, 30. Juli 2013

Plagiatsvorwurf gegen Lammert?

Gegen Lammert ist der Vorwurf erhoben worden, er habe in seiner Doktorarbeit unsauber zitiert. Daraufhin hat er sie ins Netz gestellt. Das aus dem Urlaub heraus zu tun, deutet eine Selbstsicherheit an, die ich an ihm schon länger beobachtet zu haben glaube.
Was auf lammertplag nachgewiesen wird, ist, dass Lammert bei seinem Literaturreferat die Autoren angibt, auf die er sich bezieht, und nicht die, über die er offenbar seine Kenntnisse über sie bezogen hat. (Beispiel 1, Beispiel 2). Diese Technik bezeichnet lammertplag als Verschleierung.
Ein Plagiat sehe ich nicht darin.

Die Süddeutsche Zeitung hat sich intensiver mit dem Fall befasst als ich: Plagiatsvorwurf gegen Lammert,31.7.13, ebenso Spiegel online, 31.7.13

Mein Eindruck nach Studium von deren Aussagen: Die Techniken der "Verschleierung" und des "Bauernopfers" waren in der Zeit, in der ich viel mit wissenschaftlicher Literatur umgegangen bin - Mitte bis Ende der 60er Jahre -, gang und gäbe. In Ausnahmefällen, wo wörtliche Zitate von entlegener Literatur offenkundig aus Sekundärquellen übernommen worden waren, haben wir uns darüber bei Vielschreibern etwas lustig gemacht. Unter Plagiat habe ich mir immer etwas anderes vorgestellt.
Der Sonderfall Guttenberg und die fünf, sechs ähnlichen Fälle haben jetzt den Ehrgeiz geweckt, nachzuweisen, dass man selbst exakter arbeiten kann.
Ein Korrektor entdeckt im Schnitt weit mehr Rechtschreibfehler als ein Nobelpreisträger. Das braucht nicht zu verwundern.
Damit will ich nicht richtiggehender Schlamperei das Wort reden und schon gar nicht dem geistigen Diebstahl.

Montag, 29. Juli 2013

Identitätskrise der arabischen Gesellschaften?

"Nicht nur in Tunesien, in der ganzen arabischen Welt schwelt der Konflikt zwischen den Säkularen und den Islamisten, die Religion und Politik vermischen wollen. Muslime stehen auf beiden Seiten. Doch besonders erbittert ausgetragen wird dieser Streit dort, wo der Arabische Frühling den Staat ins Wanken gebracht hat und nun erst ein neuer Gesellschaftsvertrag ausgehandelt werden muss."
Von der Staats zur Identitätskrise, SPON, 28.7.13

Ich bin mir nicht sicher, ob die Zivilgesellschaft z.B. in Ägypten von annähernd 50% unterstützt wird. Aber wie soll man das ohne demokratische Institutionen feststellen?

Mittwoch, 24. Juli 2013

Rütteln NSA und PRISM die heutigen Jugendlichen wach?

Vielleicht wächst sich die Ausspäh-Affäre zu einer Art zweiter Spiegel-Affäre aus. In der Wikipedia heißt es darüber: "Der Ausgang der Affäre, in deren Verlauf die Bundesregierung umgebildet werden musste, wird heute als Stärkung der Pressefreiheit in Deutschland angesehen."
Es dauerte nach 1962 noch vier Jahre, dann kamen die Proteste gegen die Notstandsgesetze, APO, Studentenbewegung und die sozialliberale Koalition mit Liberalen wie Hirsch und Baum.
Geschichte wiederholt sich nicht. Es kann durchaus weiter in Richtung "großer Bruder" gehen.
Aber noch braucht man nicht zu resignieren. Für die gegenwärtigen Jugendlichen könnte die Ausspäh-Affäre zum Schlüsselerlebnis werden.

Montag, 22. Juli 2013

Es geht nicht mehr allein ums Abhören, es geht um unser Grundgesetz!

Ich habe zunächst das größte Übel darin gesehen, dass Snowden von allen Demokratien gejagt wird. Jetzt bin mir unsicher geworden, ob nicht der Grund, weshalb sie ihn jagen, noch schlimmer ist: Die Empörung darüber, dass Geheimdienste einer rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegen sollen. In treffenden Formulierungen hat Prantl in der SZ deutlich darauf hingewiesen, dass es um die Unterhöhlung des Rechtsstaates geht.

Im Abhören habe ich kein Problem gesehen, so lange die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt bleibt. Jetzt wird deutlich, dass die Regierungen wie in Guantanamo nicht einmal den Versuch gemacht haben, die Menschenrechte gegen Sicherheitsinteressen abzuwägen.
Friedrich hat mit dem "Supergrundrecht Sicherheit" die Formel dafür gefunden wie früher sein Vorgänger Höcherl mit "Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.": Manchen Innenministern und offenbar der überwältigenden Mehrheit in der gegenwärtigen Bundesregierung ist das Grundgesetz nicht das Papier wert, auf das es gedruckt ist.

Geheimdienste, PRISM u.a.

Inzwischen ergänze ich meine Blogartikel nicht mehr, sondern verlinke die mir bekannten werdenden neusten Nachrichten, so weit ich sie für wesentlich halte, unter Geheimdienste.

Zur Frage der Datensicherung von Daten in der Cloud halte ich Schiebs Artikel vom 21.7.13  für informativ.


Dienstag, 16. Juli 2013

Whistleblower oder Verräter?

Naheliegenderweise wird jeder, dessen Geheimnisse verraten werden, den Verratenden als verabscheuungswürdigen Verräter ansehen.
Die Süddeutsche Zeitung stellt in ihrer Wochenendausgabe vom 13./14.7.13 einige interessante Fälle vor:

Quintus Dellius, der Octavian/Augustus mit zum Sieg in der Entscheidungsschlacht bei Actium verhalf.
Hans Oster, den Widerstandskämpfer gegen Hitler, der den Angriffstag auf die Niederlande verriet.
Daniel Ellsberg, der 7000 Seiten Originalakten des Petangon der Presse übergab, weil über Jahre hin die US-Präsidenten ihre Wähler über den Vietnamkrieg getäuscht hatten.
Mark Felt, der die Watergate-Affäre aufdeckte.
Mordechai Vanunu, der der Welt verriet, dass Israel Atomwaffen entwickelte.
Katharine Gun, die verriet, dass der britische Geheimdienst GCHQ UN-Delegierte im Sicherheitsrat abhörte, um sie evtl. erpressen zu können.
Edward Snowden ist gewiss nur vorläufig der letzte in dieser Reihe, die im Wikipediaartikel  "Whistleblower" noch 17 weitere Personen umfasst, die man Verräter oder  Whistleblower nennen kann.

In Demokratien wird in Fällen, wo die Regierung offiziell eine andere Position vertritt, als sie insgeheim verfolgt, oder wenn sie Gesetze übertritt, der Verrat als ehrenwert angesehen. Aber bei weitem nicht von allen.

Mit seiner Rede vom "Supergrundrecht" Sicherheit versucht Innenminister Friedrich den Widerspruch zwischen dem bürgerlichen Grundrecht Freiheit und dem staatlichen Interesse vor Geheimnisverrat zu verleugnen. Das ist aber eine Verhöhnung des Grundrechtskonzeptes.
Wenn staatlich definierte Sicherheit immer den Vorrang vor Freiheit hätte, dann wären alle Widerstandskämpfer gegen den Naziterror Verbrecher gewesen und die Aufdeckung regierungsamtlicher Verbrechen (z.B. "Watergate") ein Unrecht. Damit wäre auch Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt.

Mittwoch, 3. Juli 2013

Edward Snowden

Es sind zwei Skandale.
Da ist einerseits der Umfang der Überwachung von unverdächtigen Bürgern und damit der Verstoß gegen die Menschenwürde (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). (mehr dazu) Das Wesentliche war freilich bereits 1989 bekannt. Durch die Informationen von Edward Snowden ist es freilich auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden. Wenn Politiker jetzt Empörung zeigen, frage ich mich: Haben sie nicht mitbekommen, dass die deutschen Geheimdienste ständig Informationen von befreundeten Geheimdiensten beziehen und insofern ihre Arbeit in wesentlichem Umfang auf der Basis von Menschenrechtsverletzungen tun? - Ich kann es nicht glauben. Auch wenn ich es zu glauben vermöchte, bliebe mir nur die Möglichkeit, sie als Ignoranten statt als Heuchler einzuordnen.

Der zweite Skandal ist der noch größere. Jetzt hat endlich einmal  ein junger Mann sich nicht auf Befehlsnotstand berufen, sondern bekannt gemacht, was an Menschenrechtsverletzungen ausgeübt wird. Und was passiert?

Weltweit beginnt eine Verfolgungsjagd auf ihn. Alle Staaten, die sich bisher zur Frage eines Schutzes vor Verfolgung geäußert haben, weisen ihn ab. Man wünschte sich, Amnesty International besäße wie die katholische Kirche einen eigenen Staat, wo AI ihn vor Verfolgung schützen könnte, so wie Großbritannien es mit Salman Rushdie getan hat, als die Fatwa gegen ihn ausgesprochen wurde.*
Man kann darüber streiten, ob seine Tat notwendig und sinnvoll war. Aber dass er sie aus Gewissensnot getan hat, weil er glaubt, ein so ungeheurer weltweiter Angriff auf die Menschenrechte der Bürger aller Staaten dürfe nicht verborgen bleiben, scheint mir unzweifelhaft.

*Freilich, der Staat hätte im Nu Millionen von neuen Bewohnern. Wie groß müsste sein Territorium sein?

dazu: Zwangslandung für den bolivianischen Präsidenten

H.Prantl am 3.7.13 in der SZ (S.4) weist auf §4 des Asylverfahrensgesetzes hin, wonach Asylentscheidungen im Fall, dass Auslieferungsabkommen bestehen, nichtig sind. "Auslieferung geht vor."

Mein Kommentar: Wer kann sicher sein, dass Snowden nach einer Auslieferung nicht mit dem Tode bestraft würde?  - Dass die USA als Rechtsstaat gelten, bedeutet noch nicht, dass dort die Todesstrafe abgeschafft wäre. 

Nachtrag:
Interview mit Edward Snowden: NSA liefert BND Werkzeuge für Lauschangriff , Spiegel online, 7.7.13
So wird nach und nach klar, wie die Überwachungsprogramme von NSA und GCHQ, Prism, Tempora und Boundless Informant zusammenwirken: Die Metadaten-Abfrage gibt Analysten Hinweise, für welche Kommunikationen und Inhalte sie sich vielleicht interessieren könnten, dann, sagt Snowden sinngemäß, lässt sich per Knopfdruck festlegen, dass von einer Person oder einer Gruppe alle verfügbaren Inhalte im Volltext mitgeschnitten oder anderweitig erfasst werden. Zum Zielobjekt könne man aber auch "aufgrund des eigenen Facebook-Profils oder der eigenen E-Mails" werden." 

  • Snowden beantragt Asyl in Venezuela Zeit online, 9.7.13

    Montag, 1. Juli 2013

    Jugendarbeitslosigkeit

    Die Jugendarbeitslosigkeitsquote betrug im April 2013 nach de.statista.com für:

    Griechenland 62,5%
    Spanien         56,4%
    Portugal        42,5%

    Italien           40,5%
    ...
    Eurozone      24,4%
    ...
    Nachdem es bei der Rettung der Banken seit Jahren regelmäßig um mehrstellige Milliardenbeträge geht, die bereitgestellt werden, sind 6 Milliarden € für die Jugend wirklich erschreckend wenig. 
    Man kann da den Unterzeichnern des Generationenmanifestes nur zustimmen, wenn sie formulieren: 
    "Die Generation der Eltern und Großeltern betreibt fahrlässige Besitzstandswahrung auf Kosten ihrer Kinder und Enkel."
    Oder, wie es auf ihrer Webseite geggenwärtig heißt:
    "Sorgen wir dafür, dass der Ast, auf dem wir sitzen, am Baum bleibt."

    Daniel Gros warnt: Geld zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit fehlt den Älteren.

    Guardianumfrage

    Meine Position:
    Die Theorie, dass bei mehr als 90% Staatsverschuldung die Wirtschaft jedes Staates bergab gehe, wird inzwischen selbst von den Harvard-Ökonomen, die sie entwickelt hatten, schon längst nicht mehr vertreten.
    Falsch ist eine Sparpolitik ohne Investitionen in Umsteuerung.