Donnerstag, 28. November 2013

Der Koalitionsvertrag

Der Text (pdf)

SPD-Kurzfassung des Vertrages ("SPD-Handschrift")

SPD-Seite zum Download des Vertrages und weiterführende Links

Stephan Hebel schreibt dazu in der FR:
Der gesetzliche Mindestlohn kommt. Aber genau da, wo er am notwendigsten sein dürfte, kommt er bis 2017 nicht. Denn Tarifverträge, die die 8,50 Euro unterschreiten, dürfen bis dahin gelten. Und das trifft vor allem dort zu, wo die Gewerkschaften zu schwach sind, um auskömmliche Einkommen durchzusetzen. Also genau auf die Fälle, für die gesetzliche Untergrenzen eigentlich gedacht sind. [...]
Die doppelte Staatsbürgerschaft kommt, aber eben nur für hier Geborene, während künftige Zuzügler davon ausgeschlossen bleiben. Ja, es gibt ein paar Lichtblicke, zu denen bei allen Einschränkungen der Mindestlohn gehört und auch die doppelte Staatsbürgerschaft. Aber hat es sich dafür gelohnt, den Kampf um andere, linke Mehrheiten für echte Reformen auf Jahre unmöglich zu machen? Nein, das hat es nicht.
(Lähmender Stillstand, 28.11.13)
Analyse von Spiegel online, 27.11.13

Kommentar von occupy:occupy, 27.11.13

ZDF-Moderatorin "trägt die Meinung" von Verfassungsrechtlern an Gabriel "heran", dass die SPD-Mitglieder nicht mehr Einfluss auf Parteientscheidungen haben dürften als CSU-Mitglieder.
Eine effektive Methode, Gabriels Position innerhalb der SPD zu stärken.
Video des heute-Journals vom 28.11.13

Das fehlt im Koalitionsvertrag, Spiegel online, 29.11.13
2006 stellte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zusammen mit dem Arbeitsmarktforscher Ulrich Walwei ein Sozialstaatskonzept vor. Kernforderung: Wie bei den Steuern soll es auch bei den Sozialabgaben einen Freibetrag in Höhe des Existenzminimums geben. Anfang 2007 machte die SPD Bofingers Papier zur Parteiposition - um es kurz darauf wieder zu vergessen. [...] Schwarz-Rot konnte sich nicht zu einem verpflichtenden Lobby-Register durchringen, wie es etwa die Organisationen Lobbycontrol oder Transparency International fordern. [...] Neben gemeinsamer Haftung fehlt der Euro-Zone eine Strategie. Die Krise hat gezeigt, dass die Mitgliedsländer ihre Politik viel stärker aufeinander abstimmen müssen, etwa durch eine gemeinsame Wirtschaftsregierung . Die SPD wollte eine solche Regierung, die Große Koalition bekennt sich aber nur zur "glaubwürdigen Anwendung" des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Nicht einmal der ist in der Regierung unumstritten. Als die EU-Kommission auf Basis des verschärften Pakts kürzlich ein Verfahren gegen Deutschland wegen hoher Exportüberschüsse einleitete, kamen die Proteste sowohl aus der Union als auch der SPD.

Sozialbeirat kritisiert Rentenpläne von Schwarz-RotSpiegel online, 30.11.13

Der Sozialbeirat schreibt: 
diese Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Beitragsmitteln sei "nicht de jure, aber de facto eine Umgehung der Schuldenbremse". Der Abbau der Nachhaltigkeitsrücklage entspreche "im ökonomischen Sinne einer Schuldenfinanzierung, die durch die neuen grundgesetzlichen Verschuldungsregeln für Bund und Länder sehr deutlich eingeschränkt wurde". Spiegel online, 30.11.13

Meine eigene Stellungnahme findet sich weitgehend schon hier im Blog (zuletzt vor allem in den Beiträgen zum Stichwort Koalitionsverhandlungen), jetzt aber auch in dem Blogbeitrag Zur Abstimmung der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag.

Mutlose Mehrheit (Kommentar von Wolfgang Kessler zum KOALITIONSVERTRAG)

Meldung vom 4.12.13:
"Die Große Koalition nimmt Gestalt an, die Mini-Opposition ächzt. Ihr drohen vier Jahre ultrakurze Redezeiten und kaum spürbarer Einfluss in Ausschüssen oder Debatten. Jetzt zeichnet sich ab: Die Union will die Rechte der kleinen Minderheit im Parlament kaum verändern." (SPON, 4.12.13)

Dazu ein Kommentar von every_day: "Die Wahl ha tein eindeutiges Ergebnis erbracht und es kann ja wohl nicht sein, dass Parteien mehr Gewicht haben als vom Wähler zugedacht. Eine Dominanz der Minderheiten wäre das, also nichts gutes."
Politische Bildung ist offenbar noch schwerer zu vermitteln als Rechtschreibung. (Vorsicht: Polemik!)

Die Große Koalition und der Euro

Die unveränderte Euro-Krisenpolitik bedeutet, dass wir auf der wichtigsten wirtschaftspolitischen Baustelle unserer Zeit überhaupt keine Fortschritte machen werden. Die Euro-Zone insgesamt hat schon längst japanische Verhältnisse mit niedrigem Wachstum, niedriger Inflation und niedrigen Zinsen. 
Das schreibt Münchau in SPON am 27.11.13 

Gerade weil ich vieles anders sehe als Münchau, scheint mir das bemerkenswert.

Montag, 25. November 2013

Regierungsfähigkeit - ein Euphemismus für Prinzipienlosigkeit?

Im Bund ist die SPD dabei, ihre Wähler, ganz gewiss aber ihre Mitglieder übers Ohr zu hauen. In Hessen machen das die Grünen.
Die SZ nennt das: Die Grünen in Hessen sind regierungsfähig, die im Bund nicht.

Was gelten Wahlprogramme, wenn man die Gelegenheit hat, Minister zu werden und zu gestalten?

Gabriel hat die SPD wieder - halbwegs - geeinigt, indem er von den Übertreibungen der Agenda 2010 abrückte. Jetzt spaltet er sie wieder mit der Drohung "Entweder akzeptiert ihr den Koalitionsvertrag oder ihr verliert eure Führungsspitze!"
Am 13.12. werden wir wissen, wie viele SPD-Mitglieder aus falscher Parteitreue gegen ihre Meinung einer Beseitigung von demokratischem Meinungsstreit auf Zeit zugunsten vieler fauler Kompromisse zustimmen werden.
Befristete taktische Kompromisse mag ein Politiker eingehen, um langfristigere Ziele zu erreichen. Wehner hat das 1966 getan, und der Aufbruch von 1969 bis 1972, ja vielleicht sogar die Kanzlerschaft Helmut Schmidts ist dadurch vermutlich erleichtert worden.
1933 gingen eine Menge demokratischer Politiker einen taktischen Kompromiss ein, um einem gefährlichen, vielleicht tödlichem Konflikt aus dem Wege zu gehen.
Wir wissen, was daraus geworden ist.

Mittwoch, 20. November 2013

Transatlantisches Freihandelsabkommen

Die Süddeutsche Zeitung (20.11.13, S.17) macht heute wieder auf das TTIP/TAFTA aufmerksam, das unter Beteiligung der Industrielobby, aber unter Ausschluss von Parlamenten und Nichtregierungsorganisationen geheim verhandelt wird. Schon im Vorgänger MAI ging es um massive Einschränkung von Bürgerrechten und großzügige Investitionsschutzabkommen. Das war der Grund, weshalb damals Parlamente, NROs und die Öffentlichkeit es verhindern konnten.
Zu den Investitionsschutzabkommen schreibt die Wikipedia:
 Vor den Schiedsgerichten kann ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen "indirekter Enteignung" auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen (eine Klage Staat gegen Investor oder auch eine Klage inländischer Investoren gegen den Staat ist nicht möglich). Die Klage ist schon dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder auch nur ein MoratoriumBKL (etwa für Fracking) beschließt (siehe Süddeutsche Zeitung [26] vom 5. Juli 2013). (Seite „Transatlantisches Freihandelsabkommen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. November 2013, 18:52 UTC. URL:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Transatlantisches_Freihandelsabkommen&oldid=124527474 (Abgerufen: 20. November 2013, 07:50 UTC))

Man kennt es von Stuttgart 21: Die Entscheidungsfreiheit politischer Gremien soll dadurch eingeschränkt werden, dass astronomisch hohe Schadensersatzforderungen auf den Staat zukommen, der etwas beschließt.
Herauskommen dann Projekte, die mehr als zehnmal so teuer kommen, wie geplant, weil die Ersatzforderungen fünfmal so hoch wären wie der ursprüngliche Ansatz. 

Ausführlicher dazu: Le Monde diplomatique (deutsch) vom 8.11.13: TAFTA - die große Unterwerfung. Ein Kurzzitat daraus:
Einige Beispiele: Die Anhebung der ägyptischen Mindestlöhne und ein peruanisches Gesetz zur Kontrolle toxischer Emissionen werden derzeit von Unternehmen der USA wie der EU unter Berufung auf ihre Investorenprivilegien bekämpft.(6 )Andere Firmen klagten unter Berufung auf das Nafta-Abkommen gegen Garantiepreise für die Einspeisung erneuerbarer Energie und gegen ein Fracking-Moratorium. Der Tabakgigant Philip Morris hat ein Schiedsverfahren gegen progressive Antirauchergesetze in Uruguay und Australien angestrengt, nachdem er es nicht geschafft hatte, diese Gesetze vor einheimischen Gerichten zu kippen.


Dienstag, 12. November 2013

Koalitionsoptionen

Angesichts der skeptischen Reaktionen auf die Ergebnisse der bisherigen Koalitionsverhandlungen ist die SPD-Parteiführung unter Druck. Denn sie ist darauf angewiesen, dass die Mitglieder dem Verhandlungsergebnis zustimmen.
In dieser Situation gibt es eine behutsame Öffnung nach links.
In der SPD deutet sich mit Blick auf die Linkspartei ein symbolischer Schwenk an. Führende Sozialdemokraten fordern, auf dem am Mittwoch beginnenden Parteitag in Leipzig die kategorische Absage an ein Linksbündnis mit einem Beschluss aufzuheben. "Wir sollten auf dem Bundesparteitag das Signal geben, dass wir künftig keine Ausschließeritis mehr betreiben. Wenn wir bestimmten Koalitionsoptionen von vornherein eine Absage erteilen, machen wir es der Union auf lange Sicht einfach und stärken gleichzeitig die Linkspartei", sagte Schleswig-Holsteins Landeschef Ralf Stegner SPIEGEL ONLINE. "Das darf nicht mehr vorkommen und das sollten wir in Leipzig festhalten." (Spiegel online, 12.11.13)
Ich formuliere absichtlich, ohne handelnde Personen zu nennen, denn ich kenne sie nicht. Auch nicht ihre Absichten.
Es scheint aber deutlich, dass die Parteispitze Vertrauen bei den Mitgliedern zurück gewinnen will.
Dazu rechne ich auch den Vorstoß von Schwesig, die mit dem Abbruch der Verhandlungen droht.
Es soll der Eindruck entstehen, dass man nicht langfristig auf Gedeih und Verderb mit der Union zusammen gehen will.
(vgl. dazu einen Kommentar auf Spiegel online, 12.11.13)

Ob das die Mehrheit der abstimmungswilligen Mitglieder überzeugen wird, ist noch offen.

Auch die folgende Äußerung Gabriels scheint mir mehr auf die Gefühle der SPD-Mitglieder ausgerichtet als ernst gemeint:
"Ich bin sicher, dass Volksabstimmungen auf Bundesebene dazu beitragen könnten, die gefährliche Kluft zwischen etablierter Politik und Gesellschaft wieder zu schließen", sagte Gabriel SPIEGEL ONLINE. Viele Menschen hätten die Sorge, dass eine Große Koalition allein schon durch die Zahl der Mandate über ihre Köpfe hinweg Politik mache. "Auch deshalb wäre es eine große Chance für die poltische Kultur in Deutschland, wenn wir Volksabstimmungen im Grundgesetz ermöglichen würden." (Spiegel online, 12.11.13)
Es kostet ihn nichts, das zu sagen, so lange er sicher ist, dass sowieso nichts daraus wird.
Das wissen die SPD-Mitglieder aber auch.

Zum Stand der Koalitionsverhandlungen (13.11.13)

Roland Nelles: Partei in Angst, SPON, 14.11.13
In Leipzig zeigt Parteichef Gabriel den Sozialdemokraten einen Weg in die Zukunft auf. Die Genossen sollten so klug sein und ihm folgen.    [...]    Die Genossen haben es jetzt in der Hand. Sie müssen ihre Angst überwinden. Das Mitgliedervotum, das Gabriel und Co. als große Errungenschaft innerparteilicher Demokratie feiern, bleibt eine unberechenbare Größe. Ein Nein ist weiterhin möglich. Für die Partei wäre das eine politische Katastrophe. 
Seit Kants Schrift über die Aufklärung hat es keine so eindrucksvollen Vormunde mehr gegeben wie Gabriel und Nelles. Schade, dass SPD-Mitglieder selbständig denken gelernt haben?

Montag, 11. November 2013

Koalitionsverhandlungen 5: Energie

Fortschritte ergeben sich bei den Verhandlungen für die Große Koalition meist dadurch, dass man sich darauf einigt, sowohl die Ziele der Union und die der SPD anzustreben, und dabei die Finanzierungsfrage offen lässt.
Da die SPD von vornherein auf ihre Forderung von Steuererhöhungen für notwendige Aufgaben verzichtet hat, bedeutet das realistischerweise überhaupt kein Ergebnis. Die Entscheidung über Prioritäten wird aufgeschoben.

Bei den Verhandlungen zur Energiepolitik wird es fast noch grotesker:
Man hat sich auf eine Einschränkung des Ausbaus der erneuerbaren Energien geeinigt und will statt dessen Energie einsparen. Darüber, wie viel Energie eingespart werden soll, hat man sich aber nicht geeinigt. (vgl. Spiegel online, 11.11.13).

Donnerstag, 7. November 2013

Werner Pätsch - der Whistleblower in der ersten Abhöraffäre der Bundesrepublik

Werner Pätsch hatte 1963 aufgedeckt, dass "daß die Telephone deutscher Staatsbürger mit Hilfe der Alliierten in verfassungswidriger Weise überwacht" wurden (Spiegel, 21.3.1966).
Dafür musste er sich im Herbst 1965 vor dem Bundesgerichtshof verantworten.

Der Spiegel berichtete am 21.3.1966:
Nach zwölftägiger Verhandlung sprach ihn der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs von der Anklage des Landesverrats frei und verurteilte ihn lediglich "wegen vorsätzlicher Verletzung der Amtsverschwiegenheit" zu vier Monaten Gefängnis mit Bewährung.
So einsichtsvolle Richter Pätsch fand, so erleichtert der kleine Angestellte wieder aus der Rolle des Prozeß-Stars ins normale bürgerliche Leben zurückkehrte - er ist heute Programmierer in Köln -, so verschreckt müssen alle potentiellen Pätsche sein, wenn sie mit dem Gedanken umgehen, ein rechtswidriges Staatsgeheimnis öffentlich aufzudecken. Das Pätsch-Urteil belehrt sie über viele Seiten, in welch diffiziler Weise sie vor einem solchen Schritt ihr Gewissen befragen, ihre Intelligenz anstrengen und Rechtskenntnisse erwerben müssen, wenn sie nicht riskieren wollen, weit härter gestraft zu werden als der vom Glück begünstigte Pätsch.
Denn die Richter des 3. Senats scheuten sich, die Grundfrage des Prozesses eindeutig zu entscheiden: Gibt es ein illegales Staatsgeheimnis, ein Staatsgeheimnis, das im Widerspruch zum Gesetz oder gar zur Verfassung steht, aber gleichwohl geheimzuhalten ist? (Spiegel, 21.3.66)
Im Blick auf die Verwunderung Angela Merkels, dass nicht nur Millionen Bundesbürger, sondern auch ihr Handy ausgespäht wurden, lohnt es sich, den vollständigen Spiegelartikel von 1966 nachzulesen und damit zu vergleichen, wie vorsorglich - oder soll man sagen: ängstlich? - die ZEIT im August 1965 mitteilte:
Schon beim Verschwinden und Auftauchen von Pätsch, beim Beginn des sofort eingeleiteten Ermittlungsverfahrens und bei der Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung im Januar 1964 wurde immer wieder behauptet, Pätsch habe auch der ZEIT Informationen geliefert. Das war jedoch nie der Fall. Pätsch stand bis heute niemals mit der ZEIT oder einem ihrer Mitarbeiter in irgendeinem Kontakt. (ZEIT, 20.8.1965)
Welcher Whistleblower könnte sich wohl auf die Unterstützung Angela Merkels verlassen, wenn er ihr mitteilte, dass der Verfassungsschutz verfassungswidrig handelt?

Immerhin, seit 1968 steht im deutschen Strafgesetzbuch

§ 93
Begriff des Staatsgeheimnisses

(1) Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
(2) Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind keine Staatsgeheimnisse.
Das haben wir Werner Pätsch zu danken. 
Hoffen wir, dass Snowdens Einsatz auch zu einer rechtlichen Verbesserung führt!
Sieh auch:

Montag, 4. November 2013

Koalitionsverhandlungen 4: Union wünscht NSA-Ersatz für Deutschland

Wenn man schon die Zusammenarbeit mit der NSA aus taktischen Gründen etwas reduzieren muss, so hätte man von Seiten der Union doch gern einen gewissen Ersatz für die NSA.
Die Koalitionsverhandlungen scheinen die richtige Gelegenheit dafür, das festzuklopfen, bevor die Medien und die Opposition die Gelegenheit haben, viel Staub aufzuwirbeln. heise.de berichtet darüber:
CDU und CSU drängen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPD in der Arbeitsgruppe Inneres auf eine deutliche Verschärfung und Ausweitung der Internetüberwachung: Innenexperten der Union schwebt dazu eine "Ausleitung" des Datenverkehrs an "Netzknoten" vor, wie sie etwa der zentrale Austauschpunkt DE-CIXin Frankfurt oder kleinere Zusammenschaltungspunkte einzelner Provider sowie weiterer Internetkonzerne darstellen. Dies erklärte der Vorsitzende der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, Frank Bsirske, unter Berufung auf ein umfassendes Forderungspapier der konservativen Innenpolitiker gegenüber heise online. (CDU und CSU wollen Internet im NSA-Stil überwachen, heise.de, 3.11.13)
Ein Grund mehr, sehr sorgfältig zu prüfen, ob man dem Koalitionsvertrag zustimmen darf.

Koalitionsverhandlungen am 8.11.13 (pdf)
Energiewende: Union und SPD wollen Windrad-Ausbau bremsen, 8.11.13

Sonntag, 3. November 2013

Koalitionsverhandlungen 3

STEPHAN HEBEL: Das Prinzip Alternativlosigkeit, FR 31.10.13
Hebel warnt davor, dass mit den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD der politische Meinungsstreit beendet sein könnte, weil sowohl der Opposition als auch der SPD dann der Hebel Bundesrat fehlen werde, um abweichenden Positionen Gewicht zu verschaffen. Im einzelnen argumentiert er:
 [...] während der laufenden Verhandlungen, kann die SPD jetzt mit einem Nein bei ihrem Mitglieder-Entscheid drohen, um wenigstens das zu erreichen, was sie auch als Oppositionspartei bekam. Mehr nicht: Die Forderung, die Krisenlast in Europa durch einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds etwas fairer zu verteilen, lehnt die Union heute so unbelehrbar ab wie im Juni 2012, als Rot-Grün diesen Fonds schon einmal verlangte.Aber selbst mit den kleinen Erfolgen wird es vorbei sein, wenn erst die große Koalition regiert. Opposition wird, jedenfalls wenn es um die Stimmen von mehr als 20 Prozent der Bundestagsabgeordneten geht, theoretisch nur innerhalb der Regierung stattfinden können. Das einzige Argument der SPD, um Druck auf die Union auszuüben, wäre aber die Drohung, Schwarz-Rot wieder zu verlassen und endlich die rot-rot-grüne Mehrheit im Parlament für eine politische Wende zu nutzen. Nur: Wer glaubt, dass eine SPD, die sich erst zu Merkels Mehrheitsbeschafferin macht, hinterher den Mut zu solch einer riskanten Aktion aufbrächte? Und selbst wenn sie es androhte, wäre der Streit aus der Öffentlichkeit des Parlaments in die Exekutive verlegt.

Weiter so?

Nils Minkmar: "Der Zirkus" 

besprochen von KARL DOEMENS in der Frankfurter Rundschau vom 2.11.13 
Dass jedoch am Ende mehr über die Putzfrau von Steinbrücks Schwiegermutter als über die Eurokrise diskutiert wurde, sieht Minkmar als exemplarisch für die „Flucht der politischen Debatte ins rein Symbolische“. Bitter fasst er zusammen, wie es in der Berliner Runde statt um die Finanzierung der Bankenrettung, die Zukunft Europas oder die digitalen Grundrechte um die Pkw-Maut, das Betreuungsgeld und die Gefahren der Linken ging: „Ein Halloween vor der Zeit.“
So verweist Steinbrücks Scheitern für Minkmar auf den Seelenzustand einer verunsicherten Gesellschaft, die sich abends an den moralischen Konflikten der Politserie „Borgen“ erfreut, tatsächlich aber der Aufklärung das „Weiter so“ vorzieht. Eine große Koalition mit Merkel als Herrin im Haus entspricht genau diesem Bedürfnis.
besprochen von Peter Kapern im Deutschlandfunk, 28.10.13 

Merkel und Snowden

Als klar war, dass Millionen von Deutschen abgehört wurden, reagierte Merkel merkwürdig unaufgeregt. Bald durfte Profalla sagen: Alles im grünen Bereich. Es änderte sich erst, als eine Person hinzukam: sie selbst.
Das bedeutet aber nicht, dass sie Snowdens Enthüllungen ausdrücklich positiv sähe.

Dazu schreibt Steffen Hebestreit in der FR vom 2.11.13:
Es stünde Europa, es stünde Deutschland nicht schlecht zu Gesicht, einem solchen Mann Unterschlupf zu gewähren.
Doch wie schizophren die Bundeskanzlerin in dieser Sache agiert, zeigt sich dieser Tage in seltener Klarheit: Da bricht die ausgewiesene Transatlantikerin Angela Merkel einen Streit sondergleichen mit Washington vom Zaun, nachdem bekanntgeworden ist, dass die NSA nicht nur den kompletten Internetverkehr und alle E-Mails weltweit überwacht, sondern auch seit Jahren Merkels Mobiltelefon. Denjenigen aber, von dem diese für sie offensichtlich so empörenden Informationen stammen, ignoriert die Kanzlerin angestrengt. [...] wenn sogar der US-Präsident den Geheimdiensten jetzt engere Grenzen setzen will, dann beweist das doch, wie richtig und wie wichtig es gewesen ist, dass Edward Snowden Alarm geschlagen hat.Für die USA ist es unsagbar peinlich, dass sich der US-Staatsbürger Snowden in Russland verkriechen oder in Europa um Asyl betteln muss. Es ist Zeit, dass Snowden nach Hause zurückkommen darf. Nicht als Verräter, sondern als Held. (vollständiger Text sieh: FR, 2.11.13)

Freitag, 1. November 2013

Koalitionsverhandlungen 2

In Vorbereitung ihres Mitgliedervotums stellt die SPD jetzt Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen ins Netz: http://www.spd.de/mitgliedervotum/.

Offiziell heißt es auf der Seite der AG Energie:
Die Energiewende ist die größte industrie- und energiepolitische Herausforderung der letzten Jahrzehnte. Sie bedeutet den grundlegenden Umbau der Energieversorgung und einen Quantensprung für die Modernisierung unserer Volkswirtschaft. Die Energiewende verbindet Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Das gilt für alle Einsatzbereiche: Strom, Wärme und Mobilität.
Die Energiewende wird nur gelingen, wenn alle daran teilhaben und die Grenzen der Belastbarkeit für Unternehmen und Privathaushalte nicht überschritten wird. Und die Energiewende wird nur mit einer stringenten Energiepolitik gelingen.
Jorgen Randers hat in 2052. Der neue Bericht an den Club of Rome den Weg zu einer "stringenten Energiepolitik" gewiesen:

"Was wäre, wenn die führenden Politiker weltweit beschließen würden, im Rahmen eines gemeinsamen Plans 20 Jahre lang jedes Jahr fünf Prozent des weltweiten BIP zur Lösung des Klimaproblems zu verwenden? Das würde bedeuten, dass fünf Prozent der arbeitenden Bevölkerung und fünf Prozent des Kapitals für die Herstellung und Erbringung klimafreundlicher Güter und Dienstleistungen arbeiten würden. Dieses große Projekt würde das Klimaproblem lösen. Nach 20 Jahren gemeinsamer und gut geplante Anstrengungen wäre die Weltwirtschaft emissionsfrei." (S.298) "Eine sehr einfache Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre eine Kohlenstoffsteuer von 100 KKP-DollarW-Logo.gif pro Tonne CO2, die am Abbaupunkt der Kohle, an der Ölquelle und am Eintrittspunkt des Gases in die Pipeline erhoben wird. Dies würde pro Jahr drei Billionen KKP-Dollar (100 KKP-Dollar für jede der 32 Milliardentonnen CO2, die derzeit jedes Jahr ausgestoßen werden) generieren, was fünf Prozent des weltweiten BIP im Jahr 2010 von 760 Milliarden KKP-Dollar jährlich entspräche. Das Geld könnten die Regierungen von den Energiekonzernen eintreiben, die die Kosten an die Verbraucher weiterreichen würden. Die Regierung könnte allen Bürgern genau diese Extrakosten erstatten, allerdings mit einem pauschalen Pro-Kopf-Betrag. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien enorm steigern und die Beseitigung fossiler Energie beschleunigen." (S.299) 

Doch wie Merkel Autolobby betreibt, so tritt Kraft für weitere Subventionierung der Kohle ein.

Angeblich sollen folgende Ziele erreicht werden. Zitat:
"Zudem will die SPD den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Umsetzung von Maßnahmen für höhere Energieeffizienz vorantreiben. Dazu will die SPD unter anderem 40 bis 45 Prozent Stromanteil durch Erneuerbare Energien und 25 Prozent durch Kraft-Wärme-Kopplung, insbesondere durch den Ausbau der Fernwärme bis zum Jahr 2020, anstreben und bis 2030 75 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewinnen."
Doch davor steht:
"Die SPD will die Bezahlbarkeit der Energiewende gewährleisten und weitere Belastungen für die produzierende Wirtschaft und die privaten Haushalte vermeiden, etwa durch die Senkung der Stromsteuer. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere der energieintensiven Industrie, muss erhalten bleiben."
Wenn die SPD so zusammen mit Merkel die Energiewende beerdigt, werde ich gegen den Koalitionsvertrag stimmen müssen.

Dazu vgl. auch:
Dennis Ballwieser: Klimawandel verschärft weltweite Nahrungsnot, Spiegel online, 2.11.2013
  • Bereits heute sind mehr negative als positive Effekte des Klimawandels auf die Nahrungsmittelsicherheit feststellbar, zum Beispiel stark und schnell steigende Lebensmittelpreise.
  • Der Klimawandel könnte die Ernteerträge bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu zwei Prozent pro Jahrzehnt schrumpfen lassen.
  • Gleichzeitig könnte die Nachfrage nach Getreide bis 2050 um geschätzte 14 Prozent pro Jahrzehnt steigen. [...]
In ihrem aktuellen Berichtsentwurf verschweigen die IPCC-Wissenschaftler keineswegs, dass ihre Schlussfolgerungen auf Annahmen beruhen, die weder eindeutig noch unumstößlich sind. Nur einige der aufgeführten Ergebnisse tragen den Vermerk "mit großer Sicherheit", viele sind dagegen als nur mittelmäßig sicher eingestuft. Hintergrund ist, dass gerade die Projektionen künftiger landwirtschaftlicher Erträge unsicher sind: Es fehlt an Wissen darüber, wie sich Getreide außerhalb der Dürrezonen infolge des Klimawandels entwickeln wird.Doch die Unsicherheit der wissenschaftlichen Modelle entlässt Zivilgesellschaft und Politik nicht aus der Pflicht, sich Gedanken über die Lebensmittelsicherheit in den nächsten Jahrzehnten zu machen. (Spiegel online, 2.11.2013)