Donnerstag, 12. Juni 2014

NSA nahm sich Stasi zum Vorbild

Für die NSA hätte es die Möglichkeit gegeben, Verdächtige zu überwachen, ohne die Grundrechte unbeteiligter Bürger zu verletzen. So stellt es der ehemalige NSA-Mitarbeiter Thomas Drake im Interview mit der FR vom 10.6.14 dar:
 „Wir müssen alles wissen“ war das Motto der Stasi, nun will das auch die NSA. Ginge es wirklich darum, die relevante Nadel im Heuhaufen zu finden, hätte sie diese Möglichkeit gehabt: Die besten Programmierer, die die NSA je hatte, hatten eine Software namens „ThinThread“ entwickelt. Sie konnte die Datenflut auswerten, ohne Datenschutz, Bürgerrechte und Privatsphäre zu verletzen.
Sie waren damals Abteilungsleiter für Software-Entwicklung. Warum wurde „ThinThread“ nicht eingesetzt, sondern die Massensammlung, die Snowden dann enthüllte?Ich wollte „ThinThread“, aber die NSA-Führung zahlte stattdessen lieber vier Milliarden Dollar an private Rüstungsfirmen für ein anderes Programm: „Trailblazer“. Es saugte wahllos alles auf und verletzte so standardmäßig die Privatsphäre völlig unschuldiger Bürger – zuerst in den USA, später im Ausland. Auch in Deutschland. Dabei funktionierte es nicht einmal. Ich kenne keinen Terrorplan, den es aufgedeckt hätte. [...] (FR 10.6.14)
Drake versuchte damals auf dem vorgeschriebenen Weg vor den Grundrechtsverletzungen zu warnen.
Auf Befragen trug er seine Bedenken auch im Kongress vor.
Das führte nur dazu, dass man ihm den Prozess machte und ihm eine lebenslängliche Freiheitsstrafe androhte.
Wegen dieser Erfahrung hatte Snowden einen zwingenden Grund, weshalb er sich handfeste Beweise für die Grundrechtsverletzungen sicherte, bevor er auf die Verstöße aufmerksam machte.
Dazu Drake im Interview:
Und Sie versuchten dennoch, „Trailblazer“ und „Stellarwind“ zu verhindern – gegen die NSA-Spitze?Mir war anfangs nicht klar, dass die NSA-Führung die Grundrechtsverletzungen bewusst in Kauf nahm. Aber Sie wollte offensichtlich nicht eingestehen, dass sie versagt hatte, 9/11 zu verhindern. So nutzte sie die Anschläge dazu, für Milliarden aufzurüsten und die Verfassung zu brechen. Ich warnte auch das Verteidigungsministerium und den zuständigen Kongress-Ausschuss. Daraufhin wies mich der Chefjurist der NSA an, keine Fragen mehr zu stellen: „Das Programm ist vom Weißen Haus genehmigt.“
Wie reagierten die Kongress-Abgeordneten, die die Geheimdienste eigentlich kontrollieren sollen?Gar nicht. Ein Jahr später habe ich dann noch einmal als Zeuge des Untersuchungsausschusses zum 11. September mein Wissen und meine Bedenken ausgebreitet. Heute weiß ich, dass meine Aussage nicht einmal in die offiziellen Akten einging. Stattdessen warnte mich mein Vorgesetzter, die NSA suche nach Lecks. Wohlgemerkt, wegen Informationen an den Kongress!
Wenn Präsident Obama also sagt, Snowden hätte seine Bedenken auf formalem Weg melden müssen, statt Dokumente illegal weiterzugeben…Dann ist das pure Heuchelei. Ich habe meine Bedenken genau gemäß Whistleblower-Schutz-Gesetz innerhalb der Kommandokette gemeldet und nichts Geheimes nach draußen gegeben. Das führte nur dazu, dass sie mich fortan auf dem Kieker hatten. Als die „New York Times“ 2005 erstmals schrieb, dass die NSA massenhaft US-Telefonverbindungen ohne Gerichtsbeschluss ausspäht, verdächtigte man mich – zu Unrecht – als Quelle und ermittelte geheim gegen mich. Als ich im Februar 2006 tatsächlich anonym Kontakt zu einer Reporterin aufnahm, stürmte wenig später das FBI mein Haus. Das Justizministerium klagte mich an, ich sollte lebenslang ins Gefängnis. Kurz: Ich verstehe, warum Snowden so handelte. Er hat meinen Fall studiert und wollte nicht enden wie ich. (FR 10.6.14)

Keine Kommentare: