Montag, 21. Dezember 2015

Spanier wählen Zweiparteiensystem ab

Die Konservativen gehen zwar vor den Sozialisten als stärkste Partei aus der spanischen Parlamentswahl am Sonntag hervor, die absolute Mehrheit ist Premier Mariano Rajoy aber los. Dritte und vierte Kraft wurden die linke Podemos und die liberale Ciudadanos. Das Land ist nun vollkommen unregierbar, meinen einige Kommentatoren. Andere werten das Ergebnis als einen Schritt hin zu mehr Demokratie. 

El País - Spanien
Keine Revolution, aber deutlicher Wandel 
Eine stabile Regierung wäre nur mit bislang für Spanien sehr ungewöhnlichen Pakten möglich, meint die linksliberale Tageszeitung El País und sieht genau darin den Willen der Wähler: "Das neue aus den Urnen hervorgegangene Parteiensystem ist keine Revolution, aber doch ein deutlicher Wandel. Zuallererst reflektiert es den Wunsch der Spanier nach Verhandlung und Einigung - enttäuscht von den ausweglosen Konfrontationen, die in der Vergangenheit zu extremer Polarisierung führten. Man wird das Zusammenleben in einem Szenario von parlamentarischen Minderheiten lernen müssen, in denen jeder sein Bestes geben muss, um die Stabilität zu garantieren. Zweifellos stehen komplizierte Verhandlungen zur Regierungsbildung bevor. Aber es ist zu hoffen, dass die Hauptakteure unserer Verfassung diese Aufgabe in konstruktiver Weise angehen." (21.12.2015) 
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Público - Portugal
Wahl könnte positive Effekte haben 
Voller Hoffnung blickt die liberale Tageszeitung Público auf die neue Legislaturperiode im Nachbarland: "Wie in Portugal der Fall gewesen, kann das Fehlen einer absoluten Mehrheit bedeuten, dass die Macht auf eine parlamentarische Allianz verlagert wird, die nicht unbedingt die naheliegende ist. ... Die beiden großen Parteien (PP und PSOE) werden mit Ciudadanos und Podemos verhandeln müssen. Das alleine ist zwar noch keine Garantie für eine neue Politik, läutet jedoch einen neuen Zyklus ein, der zwar unberechenbar, aber auch viel herausfordernder ist. Dies gilt natürlich nur, wenn die Parteien sich ernsthaft bemühen, Abkommen zu schließen und einen Konsens zu erreichen - und wenn bei den Verhandlungen etwas herauskommt, was dem Streben nach Veränderung entspricht, das die Wähler nun gezeigt haben. Viele sagen, dass sie von kurzer Dauer sein wird, aber diese neue Legislaturperiode kann eine angenehme Überraschung werden." (20.12.2015) 

De Tijd - Belgien
Im Rekordtempo zur unregierbaren Demokratie 
Spanien ist unregierbar geworden, kommentiert die Wirtschaftszeitung De Tijd das Wahlergebnis: "Es wird nun große politische Führungsstärke und Visionen erfordern, um mit diesem Wahlergebnis eine funktionierende Koalition auf die Beine zu stellen. ... Tatsache ist, dass die Eurokrise auch Spanien eine zersplitterte politische Landschaft beschert hat und dass ihre schlimmsten Folgen - wie haushohe Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Armut - noch nicht einmal bekämpft wurden. Während der Diktatur von Francisco Franco gab es keinen Platz für politische Pluralität. 50 Jahre später gibt es keine funktionsfähige Mehrheit mehr. Spanien ist in einem Rekordtempo von einer Diktatur zu einer unregierbaren Demokratie geworden." (20.12.2015) 

Corriere del Ticino - Schweiz
Ciudadanos hätte Spanien retten können 
Die neue liberale Partei Ciudadanos ist mit 13,9 Prozent nur auf Platz vier gelandet. Äußerst bedauerlich, findet die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Eine Zusammenarbeit zwischen Rajoy und den Liberalen von Ciudadanos wäre die interessanteste Option gewesen und auch die, die am ehesten geklappt hätte. Denn die Liberalen sind positiver und konstruktiver als Podemos und zielen nicht darauf ab, die Errungenschaften der letzten 30 Jahre der spanischen Politik zunichte zu machen. Sie [die Liberalen] sind für einen Neubeginn, verzichten aber darauf, als Moralprediger aufzutreten und haben sich als gemäßigte Alternative zu den Systemkritikern von Podemos-Chef Pablo Iglesias herausgestellt. Zudem ist das Wirtschaftsprogramm der Konservativen nahezu identisch mit dem von Liberalen-Chef Albert Rivera, der außerdem, selbst Katalane, gegen die Unabhängigkeit Kataloniens ist. Er hätte die richtige Person sein können, um das regionale Aufbegehren aufzufangen." (21.12.2015) 
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Cumhuriyet - Türkei
Neuwahl könnte Podemos-Traum beenden 
Nach der spanischen Parlamentswahl haben am Montag sowohl die sozialistische PSOE als auch die linke Partei Podemos eine Koalition mit der bisherigen konservativen Regierungspartei PP ausgeschlossen. Doch ohne Koalitionsoptionen könnte auch die Freude der Podemos-Anhänger nur von kurzer Dauer sein, prognostiziert die kemalistische Tageszeitung Cumhuriyet: "Beobachter sagen, dass in Spanien die Wahl wiederholt wird, wenn - so wie wir es in der Türkei erlebt haben - innerhalb von zwei Monaten keine Regierung gebildet wird. Sie behaupten, dass in dieser Situation ähnlich wie bei uns angesichts 'drohender Instabilität' die regierenden Konservativen gestärkt daraus hervorgehen würden. So wie in der Türkei die Begeisterung über den Ausgang der Wahl vom 7. Juni [dem Co-Vorsitzenden der kurdennahen HDP] Demirtaş im Halse stecken blieb, so könnte in Spanien in einem ähnlichen Szenario der Aufwind von Iglesias und seiner Partei Podemos, der drittstärksten, abgefangen werden." (22.12.2015) 

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