Montag, 11. Januar 2016

Verändert Köln die deutsche Migrationspolitik?

Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht berät die Koalition in Berlin am heutigen Montag über Konsequenzen wie verschärfte Ausweisungsregeln für kriminelle Ausländer. Einige Kommentatoren ermutigen die deutsche Regierung, an ihrer besonnenen Migrationspolitik festzuhalten. Andere werfen Merkel vor, dass sie eine Invasion ausgelöst und Europas Zusammenhalt aufs Spiel gesetzt hat. 

Jutarnji list - Kroatien
Frau Merkel, Sie schaffen das! 
Angela Merkel darf jetzt nicht aufgeben, drängt die liberale Tageszeitung Jutarnji list: "Der Angriff in Köln bedeutet das Ende der Politik des Rumeierns, mit der Merkel die anderen Mitgliedstaaten in der Flüchtlingskrise gerettet hat. Frankreich ist angesichts der Präsidentschaftswahl 2017 vor Angst erstarrt. Mit den Briten rechnet niemand mehr ernsthaft. Im Osten wächst von der Adria bis zum Baltikum die neokonservative Antimigranten-Koalition. Tschechien, die Slowakei, Estland - niemand will Flüchtlinge. Außerdem ist da noch das neue Bündnis Orbán und Kaczyński. Und nunschließen auch noch Schweden, Dänemark und Norwegen, die immer ein großes Bewusstsein für Menschenrechte und Solidarität gezeigt haben, ihre Grenzen für die Kriegsleidenden aus Nahost. Die deutsche Kanzlerin hat 2015 gut gespielt. Und 2016? Frau Merkel, Sie schaffen das!" (11.01.2016) 

La Repubblica - Italien
Deutschlands Besonnenheit tut Europa gut 
Nach den sexuellen Übergriffen in Köln und anderen deutschen Städten hat Kanzlerin Angela Merkel angekündigt, eine Verschärfung der Abschieberegeln für kriminelle Ausländer zu überprüfen. Zum Glück reagiert Deutschland besonnen und macht nicht plötzlich die Grenzen dicht, freut sich die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Die klare doch zugleich sorgfältig abwägende Entschlossenheit der deutschen Führungsspitze basiert auf der Überzeugung, dass die Gründe, die die Kanzlerin zu ihrer Flüchtlingspolitik bewogen haben, nach wie vor gelten: … Deutschland (und Europa) haben aus demographischen und geopolitischen Gründen ohne Zuwanderung keine wirtschaftliche Zukunft. Und die Flüchtlinge sind ein Phänomen von globaler Dimension, gegen das keine europäische Nation, nicht einmal das 'große Deutschland', allein vorgehen kann. Es sei denn, man wägt sich in dem Glauben, Rettung finden zu können hinter neuen, aber instabilen Mauern." (11.01.2016) 
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Kristeligt Dagbladet - Dänemark
Todesstoß für Willkommenskultur? 
Die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht könnten die deutsche Migrationspolitik verändern, analysiert die christliche Tageszeitung Kristeligt Dagbladet: "Natürlich darf man nicht alle muslimischen Männer über einen Kamm scheren, aber es wäre auch verkehrt, die Augen vor den tiefen kulturellen und religiösen Unterschieden zu verschließen, die die Integration für viele so schwer machen. Darüber muss offen gesprochen werden, in Deutschland, das oft auf hysterische Weise politisch korrekt handelt, und auch hier im Lande. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat absolut Recht, wenn sie in ihrer Neujahrsrede sagt, dass 'unsere Werte, ... unsere Gesetze, unsere Regeln für jeden, der hier leben will' gelten. Doch es ist unklar, wie sie es durchsetzen will, dass diese auch von denen akzeptiert werden, denen es schwerfällt, sich zu integrieren. Fest steht, dass die 'Wir schaffen das'-Zusicherung der Kanzlerin durch die Übergriffe der Silvesternacht mit der Realität konfrontiert wurde und vielleicht sogar den Todesstoß erlitten hat." (08.01.2016) 
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The Guardian - Großbritannien
Rechtspopulisten missbrauchen Opfer von Köln 
Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten hat die Bundesregierung am Wochenende angekündigt, die Asylgesetze zu verschärfen sowie Polizei und Justiz zu stärken. Die Vorfälle dürfen nicht dazu führen, dass die Willkommenskultur zerstört wird, mahnt Doris Akrap in der linksliberalen Tageszeitung The Guardian: "Niemand hat je behauptet, dass die Flüchtlinge, selbst wenn diese nach ihrer Reise über das Mittelmeer in Rettungsdecken gehüllt sind, alle Engel sind. Doch ich habe die Angst, dass die Willkommenskultur als leerer Spruch enden könnte. Jene Menschen, die schon immer wollten, dass diese scheitert, und an einen Staat nur für Deutsche glauben, missbrauchen die Ängste und Unsicherheiten, die wir alle vor dem Hintergrund der neuen Ankömmlinge haben. Darüber hinaus missbrauchen sie die Dutzenden Frauen, die in der Silvesternacht Opfer von Übergriffen wurden." (10.01.2016) 

e-vestnik - Bulgarien
Merkel hat Europa auf dem Gewissen 
Mit ihrer Flüchtlingspolitik hat Angela Merkel den Zusammenhalt Europas aufs Spiel gesetzt, schimpft das regierungskritische Onlineportal e-vestnik:  "Merkel wird wahrscheinlich noch dieses Jahr abtreten müssen. Doch was wird aus Europa? Einige EU-Länder haben bereits das Schengen-Abkommenausgesetzt. Sie rechtfertigen es mit dem Flüchtlingsandrang aus Griechenland. Doch wie soll Griechenland 13.000 Kilometer Meeresküste verteidigen, wenn Merkel die Flüchtlinge einlädt? Bevor sie es tat, war der Zustrom stetig, aber kontrollierbar. Indem Merkel die ganze EU gezwungen hat, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, hat sie nun eine wahre Invasion ausgelöst. Die EU bricht auseinander, Großbritannien will sich abspalten und es drohen unvorhersehbare Konflikte zwischen den Mitgliedsländern." (09.01.2016) 


Linie

Debatten verfolgen: Ist Schengen am Ende?
Mitten in Europa werden Zäune errichtet und Grenzkontrollen wiedereingeführt, um Geflüchtete aufzuhalten. Die Niederlande bringen gar eine "Mini-Schengen-Zone" ins Spiel. Ist die Beschränkung der Reisefreiheit in Europa die richtige Antwort auf die Flüchtlingskrise?» mehr 

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POLITIK
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Super Express - Polen
Deutsche könnten Polen aus der EU treiben 
Der Chef des Europarlamentes, Martin Schulz, hat erneut Polen kritisiert und erklärt, dass das Land eine "gelenkte Demokratie nach Putins Art" sei. Mirosław Skowron von der konservativen Boulevardzeitung Super Express fürchtet die Folgen von solchen Angriffen: "Als ich mich einmal mit Gleichaltrigen aus dem Westen unterhalten habe, waren sie sehr erstaunt über das, was wir als Kinder gespielt haben. In unseren Partisanenspielen schossen wir auf Deutsche. Das machte uns sogar 35 Jahre nach Kriegsende noch Spaß. ... Als Schulz uns jetzt angeschrien hat, habe ich gedacht: 'Und wen hat dein Vater oder Großvater zwischen 1933 und 1945 angeschrien?' ... In Polen denkt zwar  - anders als in Großbritannien - noch niemand daran, aus der EU auszutreten. Jeder würde im Moment noch über diesen Gedanken lachen. Doch lege ich meine Hand nicht dafür ins Feuer, dass sich das nicht ändert, sollten die Angriffe aus Brüssel anhalten. (11.01.2016) 

De Volkskrant - Niederlande
Kritik an Warschau bitte nicht übertreiben 
Martin Schulz sollte seine Kritik an Polen mit Bedacht formulieren, mahnt die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant: "Mit seinen provozierenden Äußerungen gießt er Öl ins Feuer. Und das, obwohl die Beziehungen zwischen dem westlichen und östlichen Teil der EU durch die Flüchtlingskrise sowieso schon sehr unter Druck stehen. Bei der Suche nach einer gemeinsamen Antwort auf die Krise braucht Europa auch die polnische Regierung sehr dringend. Das darf kein Grund sein, stillschweigend Angriffe auf die Grundwerte zuzulassen, aber eine angemessene Wortwahl ist erforderlich. Die neuen Gesetze sorgen verständlicherweise für Wut, aber sie sind noch kein überzeugender Beweis, dass das Ende der polnischen Demokratie in Sicht ist. ... Worte wie Putsch, Diktatur und Faschismus, die man jetzt in der Debatte hört, sollten verantwortungsvolle Politiker vermeiden." (11.01.2016) 
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Le Quotidien - Luxemburg
Pariser Pläne zu Passentzug verfassungswidrig 
Der von Paris geplante Passentzug für Terrorbeschuldigte ist absurd, meint die linksliberale Tageszeitung Le Quotidien mit Blick auf die Tatsache, dass die Attentäter von Paris im Januar und November 2015 Franzosen oder EU-Bürger waren: "Da man nichts gegen diejenigen machen kann, die nur einen Pass haben, werden die einheimischen Terroristen verschont. Unsere korsischen und baskischen Freunde können unbesorgt weitermachen, sie sind davon nicht betroffen. Für diejenigen, die das Pech haben, einen zweiten Pass zu besitzen, gibt es die französische Staatsangehörigkeit nur auf Bewährung. Es gibt also eine Staatsangehörigkeit mit zwei Geschwindigkeiten, die den Werten der Republik und der Verfassung widerspricht. ... Dies beweist deutlich, wie weit die Sicherheitseuphorie der französischen Regierung von der Realität der Tatsachen entfernt ist. Denn es ist natürlich immer einfacher, solche zumindest spektakulären Maßnahmen anzukündigen, statt echter Lösungen für ein ziemlich komplexes Problem zu finden." (09.01.2016) 

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