Freitag, 22. Januar 2016

Wien begrenzt Aufnahme von Flüchtlingen - internationale Reaktionen


Österreich legt als erstes europäisches Land eine Obergrenze für Asylbewerber fest: In diesem Jahr sollen höchstens 37.500 Migranten aufgenommen werden. Welche Folgen hat diese Entscheidung?
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)

Wiens Entscheidung bedroht Stabilität auf Balkan

Nun drohen weitere unkoordinierte Grenzschließungen, die ganz Europa teuer zu stehen kämen, fürchtet die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung:
„Österreich [hat] eine Kettenreaktion beschleunigt, die spätestens mit Schwedens Kehrtwende im Dezember begann. Wien seinerseits reagierte darauf, dass Deutschland täglich mehrere hundert Personen an der Grenze zurückweist. ... Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse droht auf dem Balkan eine unkoordinierte Grenzschliessung. ... Es wäre verantwortungslos, und das nicht nur unter moralischen Gesichtspunkten, wenn die reichen westeuropäischen Länder das Flüchtlingsproblem auf die Länder des Westbalkans abschieben würden. Die Spannungen würden massiv steigen in einer Region, die nach den Jugoslawienkriegen erst mühsam wieder zusammenwächst. Auch die europäische Stabilisierungspolitik auf dem Westbalkan, massgeblich durch die Migrationsbewegungen der neunziger Jahre motiviert, würde unterlaufen.“










IL SOLE 24 ORE (IT)

Nur Dublin-Reform kann Dominoeffekt stoppen

Durch die Entscheidung Österreichs droht ein Dominoeffekt, fürchtet die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore und drängt auf eine Überarbeitung des  Dubliner Abkommens, um das zu verhindern:
„Die derzeitige Rechtsprechung sieht vor, dass das Land, das der Flüchtling zuerst betritt, für die Aufnahme zuständig ist. Die Regel wird de facto längst von Ausnahmen widerlegt. Zum einen hat Deutschland  die Grenzen geöffnet und so die Regeln gebrochen. Zum anderen haben die 28 EU-Länder prinzipiell der Quotenverteilung von 160 000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland zugestimmt. Nur scheitert die Quotenverteilung bisher am Widerstand einzelner Staaten. Die Reform der Dublin-Verordnung ist somit dringend erforderlich, nicht zuletzt um die aktuelle Gesetzeslücke zu schließen. Mangels einer Übereinkunft auf europäischer Ebene, besteht die Gefahr eines Dominoeffekts. Die Verweigerung der Einreise würde die Flüchtlinge nach und nach immer mehr in den Süden des Kontinents treiben. “









SALZBURGER NACHRICHTEN (AT)

Österreichs Erfolg hängt weiter von Europa ab

Trotz der Obergrenze wird Österreich für eine erfolgreiche Flüchtlingspolitik von anderen abhängig sein, prophezeit die christlich-liberale Tageszeitung Salzburger Nachrichten:
„Ein Erfolg der neuen Flüchtlingspolitik hängt nicht nur von Österreich ab, sondern auch von unseren europäischen Partnern. Und von der Weltpolitik. Werden die Asylsuchenden weiterhin von der Türkei bis [zum österreichisch-slowenischen Grenzübergang] Spielfeld durchgewinkt, wird Österreichs Asylpolitik scheitern. Weigert sich der Großteil der EU-Länder weiterhin, seinen Anteil an den Flüchtlingen aufzunehmen, wird Österreichs Asylpolitik scheitern. Geht der Zerfall staatlicher Strukturen in Teilen des Nahen und Mittleren Ostens und Afrikas weiter, wird Österreichs Asylpolitik scheitern. Jegliche Asylpolitik ist eine Gratwanderung zwischen dem grundrechtlich Gebotenen und dem politisch Machbaren. Ein Absturz auf dieser Gratwanderung ist nicht erlaubt, aber leider möglich.“









Die Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion zur Flüchtlingspolitik
  1. Für eine Friedenspolitik im globalen Maßstab sind die Vereinten Nationen unverzichtbar. Die Mitgliedsstaaten müssen umgehend ihre Beitragsrückstände ausgleichen und mehr Mittel zur Unterstützung der Opfer von Konflikten und Naturkatastrophen, aber insbesondere die Hilfen für die Flüchtlingslager in Konfliktregionen bereitstellen. Wir halten an dem Ziel fest, 0.7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit zu leisten.
  2. Der Investitionsstau in Deutschland wirkt sich auch bei der Aufgabenbewältigung einer dauerhaften Integration von Flüchtlingen aus. Zukunftsinvestitionen müssen wir jetzt tätigen, statt sie weiter aufzuschieben. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau, massive Investitionen in Kitas und Schulen, sowie einen Ausbau unseres Gesundheitssystems.
  3. Unser Anspruch: Keine Flüchtlingspolitik nach Kassenlage! Um Ländern und Kommunen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewältigung der großen Herausforderungen auch in Zeiten schwierigerer Haushaltslage unbedingt erforderlich sind, müssen wir vorhandene finanzielle Spielräume nutzen und strukturell die Einnahmeseite des Bundes stärken.
  4. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist der Schlüssel für Integration. Sie darf aber keinesfalls auf Kosten der bereits hier lebenden Menschen erfolgen. Eine Absenkung von Standards oder Sonderregelungen für Flüchtlinge lehnen wir kategorisch ab. Wir fordern einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der Geflüchteten ebenso wie Langzeitarbeitslosen zu Gute kommt.
  5. Eine Einschränkung des Familiennachzugs lehnen wir ab. Humanitäre Hilfe und Schutz besonders für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderung muss insbesondere in Erstaufnahmeeinrichtungen gewährleistet werden.

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