Donnerstag, 21. Dezember 2017

Freiheit ohne Solidarität im Kampf der Starken gegen die Schwachen

"[...] der Neoliberalismus hat aus Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit die Forderung abgeleitet, dass jeder Mensch ein Unternehmer seiner selbst werden solle. Die Folgen sind immer deutlicher erkennbar: Menschen wie Natur sind in einen globalen Stress versetzt. Das Problem für die politische Auseinandersetzung besteht heute vor allem darin, dass einstmals positiv besetzte Begriffe wie Freiheit und Individualismus zu Befehlen im neuen Arbeitsregime geworden sind: Sei flexibel und fügsam, denn du stehst in einem unendlichen Wettbewerb." (Interview mit Bernd Stegemann)"

Dienstag, 19. Dezember 2017

Gabriel und Merkel

Sigmar Gabriel hat manches mit Angela Merkel gemeinsam: Er war Umweltminister und er ist ein geschickter Taktiker. Beiden ist die Umwelt und damit die Sicherung des Überlebens des von den Folgen des Klimawandels am schwersten betroffenen Teils der Menschheit nicht wirklich wichtig.
Für Gabriel geht die Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland vor, für Merkel die Berücksichtigung der Interessen von internationalen Konzernen.
In einem unterscheiden sie sich: Während Merkel schon zweimal Entscheidungen getroffen hat, die beweisen, das sie gerne moralisch handeln würde (bei der Rücknahme der Beendigung des Atomausstiegs nach Fukushima und bei der Entscheidung für die Aufnahme von Flüchtlingen im Sommer 2015), ist bei Gabriel nicht zu erkennen, dass er manche politischen Ziele für wichtiger hält als Taktik.
Um das klar zu stellen: Merkel kämpft nicht für die moralischen Ziele. Die Umstellung auf erneuerbare Energien treibt sie nicht voran und die notwendigen Voraussetzung für die Integration von mehr Flüchtlingen schafft sie auch nicht. Stattdessen paktiert sie mit den fragwürdigsten Partnern (mit Erdogan und der ohnmächtigen offiziellen libyschen Regierung), um Flüchtlinge von der deutschen Grenze fern zu halten. Aber sie wagt den - beschränkten - Konflikt mit ihrer Partei, um ein Zeichen für eine moralische Politik zu setzen.
Gabriel braucht sich für einen moralischen Politikkurs nicht gegen seine Partei zu stellen, aber er tut es, wenn er es taktisch für richtig hält. So redet er gegenwärtig mit "Heimat" und "Leitkultur" der AfD nach dem Mund und verzichtet auf Klimaschutz zugunsten der vordergründigen Interessen der wieder entdeckten Klientel der SPD, den sozial Schwachen.
Beide stellen die langfristigen Ziele hintan, Merkel in Anpassung an ihre Partei, Gabriel gegen die Grundwerte seiner Partei.
Ob Schulz die langfristige Erneuerung der SPD wichtiger ist als der kurzfristige Erfolg einer Regierungsbeteiligung wird sich zeigen.

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Was lehrt die Senatswahl in Alabama?



Die Nachwahl zum US-Senat im republikanischen Stammland Alabama hat ein Demokrat für sich entschieden: Doug Jones siegte knapp vor dem Republikaner Roy Moore. Für Moore, der sich unter anderem gegen mehr Rechte für Homosexuelle positioniert, hatte sich insbesondere der ehemalige Präsidentenberater Stephen Bannon stark gemacht. Europas Medien diskutieren, wie Moores Niederlage zu bewerten ist.
CORRIERE DELLA SERA (IT)

Trump ist nicht mehr unschlagbar

Moores Niederlage wird für Trump unangenehme Folgen haben, prophezeit Corriere della Sera:
„Erstens kommt Ärger im Senat auf ihn zu. Denn ab Januar kann Trump nur noch auf 51 von 100 Senatoren zählen. ... Und mindestens drei [republikanische] Senatoren (Corker, Flake und McCain) verachten ihn. Zweitens liebt Trump zwar den Extremismus Bannons, noch mehr jedoch liebt er es, zu siegen. Entsprechend dürfte er kaum auf Bannon hören, wenn er merkt, dass er mit radikalen Kandidaten sichere Wahlkreise verliert. Drittens, so hoffen die Demokraten, wird das Ergebnis von Alabama ihrer Wählerschaft Mut machen. Die war nach dem Sieg von 'The Donald' demoralisiert und orientierungslos. Zwar werden sich bei den Midterm-Wahlen die Kräfteverhältnisse wohl nicht gleich umkehren, doch Trump gilt nicht mehr als unschlagbar.“
Massimo Gaggi
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DE VOLKSKRANT (NL)

Rechtspopulismus ade!

Jetzt ist die rechtspopulistische Revolution in den USA zum Stillstand gekommen, glaubt De Volkskrant:
„Präsident Trump hatte sich voll hinter Moore gestellt. ... Und Trump-Flüsterer Bannon hatte am Montag noch einen draufgesetzt, indem er den tiefgläubigen Moore-Anhängern das 'Wunder von Trump' erklärte. Doch das Elixier des Zauberer-Duos, das 2016 zu einer unmöglich geglaubten Präsidentschaft führte, reichte in einem der konservativsten Staaten nicht aus. Das republikanische Establishment fühlt sich nun gestärkt. ... Auch wenn die Partei damals dem Kurs Trumps gefolgt ist, hat sie recht behalten: Wenn Bannons populistische Revolution in Alabama den Demokraten zum Sieg verhilft, dann ist sie keine gute Strategie für die Wahl 2018.“
Michael Persson
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ZEIT ONLINE (DE)

Ideologische Kämpfe werden nur härter

Für Euphorie ist überhaupt kein Anlass, stellt Zeit Online nüchtern fest:
„Die Wähler in Alabama haben es gerade so geschafft, den vermutlich schlechtesten und unmöglichsten aller Kandidaten nicht zu wählen. Jones schlug Moore mit knappen 20.000 Stimmen Vorsprung. ... Das alles ist kein Grund zum Jubeln. Es offenbart erneut die immense Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft. ... Weiße gegen Minderheiten, Reiche gegen Arme, Waffenliebhaber gegen Waffengegner, Abtreibungsgegner gegen Abtreibungsbefürworter, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. ... Roy Moores Niederlage überdeckt diese Spaltung lediglich für einen Moment. Eine Wahl allein ändert substanziell nichts. Der Kampf beider Seiten um die ideologische Vorherrschaft im Land wird nun nur noch erbitterter geführt werden. Erlösung liegt für Amerika in weiter Ferne.“
Rieke Havertz
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DNEVNIK (SI)

Alle Seiten können daraus lernen

Sowohl Demokraten als auch Republikaner sollten aus dem Wahlergebnis Schlüsse für ihre nationale Politik ziehen, empfiehlt Dnevnik:
„Die Demokraten hoffen auf eine politische Trendwende, aber sie agieren wie eine zerschlagene Armee, sind fast ausschließlich darauf fixiert, Trump zu widersprechen. Gäbe es eine Wende, dann eher wegen der Fehler ihrer Gegner, allen voran denen von Trump, und nicht wegen ihrer eigenen Schlagkraft. Doch Jones hat mit seiner auf die Wirtschaft konzentrierten Kampagne gezeigt, wie es gehen kann. Selbst bei den Republikanern sind einige zufrieden, dass der radikale Moore verloren hat. Besonders der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, freut sich, denn langfristig würde Moore der Partei mehr schaden als nützen. Dennoch ist die Lektion, die die Republikaner bekamen, für sie in jeder Hinsicht schmerzlich.“
Andrej Brstovšek
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Dienstag, 12. Dezember 2017

Russland erklärt Teilabzug aus Syrien


Russland will den Großteil seiner Soldaten aus Syrien abziehen. Dies erklärte Präsident Putin am Montag in Syrien und begründete die Entscheidung damit, dass die russische und die syrische Armee gemeinsam die meisten Terroristen in Syrien vernichtet hätten. Der Luftwaffenstützpunkt Hamaimim und die Marinebasis Tartus sollen beibehalten werden. Was ist von der Ankündigung zu halten?

ECHO MOSKWY (RU)

Warum es keinen vollständigen Rückzug gibt

Putin hat für den Truppenabzug gute Gründe, aber russische Soldaten werden in Syrien weiterhin eine Schlüsselrolle spielen, meint Alexej Wenediktow, Chefredakteur des Kreml-kritischen Radiosenders Echo Moskwy:
„Putin hat verstanden, dass sich in der russischen Armee ein Vietnam-Syndrom entwickeln könnte. Seine Entscheidung war richtig, denn mit Militäreinsätzen kann man nicht gegen Terroristen kämpfen. ... Das Problem ist, dass die syrische Operation zwei Elemente hat: Den Kampf gegen Terroristen und die Unterstützung des Assad-Regimes. Und so vermute ich, dass relativ große Einheiten und Basen bleiben werden. ... Es bleiben erstens die Kräfte, die den Terrorismus bekämpfen, also Aufklärungs- und Spezialeinheiten, und zweitens Militäreinheiten, die im Falle des Falles Präsident Assad zu Hilfe kommen können.“
Alexej Wenediktow
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LA REPUBBLICA (IT)

Eine geschickte Finte à la Putin

Für La Repubblica ist das Ganze nicht mehr als ein Scheinrückzug:
„Eine für die Medien geschaffene Geste, exklusiv ausgestrahlt vom gehorsamen Sender Russia Today, dem mehrsprachigen TV-Sender, der für den Kreml Propaganda und Desinformation betreibt. Schon im März hatte Putin den Truppenabzug verkündet und nichts geschah. Jetzt sagt er, der IS sei besiegt und entsprechend die Zeit für Uno-Diplomatie gekommen. Was er nicht sagt, ist, dass die Dreiergruppe Russland-Iran-Türkei zu den ersten gehören wird, die die Uno und ihren geduldigen Unterhändler Staffan de Mistura sabotieren. Auch verschweigt er, dass russische Soldaten humanitären UN-Hilfskonvois in Syrien den Zugang verwehren - unter unterschiedlichsten Vorwänden. Er sagt auch nicht, dass die russischen Militärstützpunkte geräumt werden. Denn sie werden bleiben, um Moskau die volle militärische und somit politische Kontrolle zu garantieren.“
Paolo Garimberti
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DE TELEGRAAF (NL)

Mission längst nicht erfüllt

Der Kampf um die Vormacht in Syrien geht nur in eine nächste Runde, meint auch De Telegraaf:
„Das eigentliche Ziel der Russen war die Sicherung des Regimes. Das ist ihnen gelungen, auch wenn es viele Menschenleben kostete und das Land in Trümmern liegt. ... Assad ist pro forma noch immer Präsident, aber tatsächlich dem Willen Russlands und des Iran ausgeliefert. Und die Interessen dieser Länder gehen immer stärker auseinander. ... Der Kampf um den Einfluss im künftigen Syrien ist alles andere als entschieden. Moskau hat in den vergangenen zwei Jahren viel Geld und Truppen investiert, um seine Macht im Land und dem Rest des Nahen Ostens auszubauen. Das wird es nicht mit einem schnellen Abzug aufs Spiel setzen.“
Ralph Dekkers
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DEUTSCHLANDFUNK (DE)

Ein Pulverfass mit brennender Lunte

In Syrien und der Region findet man alle Zutaten für den nächsten, noch viel größeren Konflikt, unkt der Deutschlandfunk:
„Iran wird immer mächtiger, schickt seine Revolutionsgarden und Waffen nach Syrien. Von dort und vom Libanon aus soll mit Hilfe der Hisbollah ein Krieg gegen Israel gestartet werden. … Iran und Saudi-Arabien ringen um die Vorherrschaft in der Region, ein Machtkampf zwischen Schiiten und Sunniten, Schauplatz: Syrien… [D]as kurdische Referendum im Irak hat die Türkei auf den Plan gerufen. Ein Kurdistan, von türkischem, über syrisches bis ins irakische Territorium hinein, ist der Albtraum für Präsident Erdoğan. Die Gemengelage ist unübersichtlich und explosiv, im Spiel sind hochgerüstete Armeen, Atomwaffen. … Geht dieses Pulverfass hoch, wird sich die syrische Flüchtlingskrise im Vergleich dazu als ein Kinderspiel erweisen.“
Sabine Adler
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KAINUUN SANOMAT (FI)

Putin als Strippenzieher in Nahost

Kainuun Sanomat spekuliert über Putins weitere Pläne, seinem Land im Nahen Osten insgesamt noch mehr Gewicht zu verleihen:
„Letzte Woche teilte Präsident Trump überraschend mit, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen. Putins Ankündigung eines Truppenabzugs aus Syrien kam ebenso überraschend. Trumps Ankündigung bedeutet, dass die USA keine Chancen mehr haben, in irgendeiner Form als Vermittler im Konflikt zwischen Israel und Palästina aktiv zu werden. Vielleicht hat Putin verstanden, dass Russland hier eine Gelegenheit hat, eine stärkere Rolle einzunehmen - auch als Vermittler. Und vielleicht war seine Weiterreise [von Syrien aus] direkt nach Ägypten Teil dieses Prozesses? Putin weiß natürlich auch, dass eine Syrien-Lösung nur möglich ist, wenn Assad zivilisiert abgesetzt wird. Gleichzeitig muss aber verhindert werden, dass das Land in Regionen zersplittert, die miteinander im Konflikt stehen.“
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