Dienstag, 30. Mai 2017

Ernüchterung nach Trumps Europareise (euro|ropics) - Was für Chancen gibt es trotzdem?

Als "historisch" hat US-Präsident Donald Trump seine einwöchige Europareise bezeichnet. Als konfrontativ wurde er von vielen seiner europäischen Partner wahrgenommen. Beim Nato-Gipfel in Brüssel vermied er es, sich zum Artikel 5, dem Bündnisfall, zu bekennen. Auf dem G7-Gipfel in Taormina blieb er kompromisslos, insbesondere beim Klimaschutz. Welche Lehren sind aus Trumps Besuch zu ziehen?
Von den Pressestimmen möchte ich eine besonders hervorheben:
"Statt auf eine Amtsenthebung oder andere Wunder zu hoffen, sollten sich die US-Partner Trumps Spieler-Gen, seine Gefallsucht und seinen Wunsch nach raschen Erfolgen zunutze machen. Dass das geht, haben die Chinesen bewiesen, die vom Wirtschaftsstaatsfeind Nummer eins über Nacht zum Partner im Nordkorea-Konflikt mutierten." (Der Bund, Schweiz)

NRC HANDELSBLAD (NL)

Ein Bruch mit der Vergangenheit

Die erste Auslandsreise des US-Präsidenten war aus Sicht des NRC Handelsblad ernüchternd:
„Es hat sich bestätigt, was sich schon in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft abgezeichnet hatte. Trump will mit Autokraten Geschäfte machen und hat wenig Respekt für Europäer. Er sucht die Konfrontation und nicht die gemeinsame Führung. Er verfolgt Eigeninteressen und zeigt wenig Verständnis für gemeinsame Werte. ... Wir sahen: Trump First. America First. Es war die Demonstration einer neuen amerikanischen Agenda und eines neues Stils. Jeder, der noch die Illusion hatte, dass Trump nach ein paar Monaten im Amt zur Besinnung kommt, dass er einsieht, wie wertvoll die alten Verbündeten der USA sind und wie sinnvoll es sein kann, mit ihnen gemeinsam zu handeln, wurde eines Besseren belehrt. Jeder konnte mit eigenen Augen sehen: Trump ist ein Bruch mit der Vergangenheit. Und darauf muss die Welt eine Antwort finden.“
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DER BUND (CH)

Zum Dialog gibt es keine Alternative

Trotz Trumps konfrontativen Auftretens auf den Gipfeln von Nato und G7 muss man den Dialog mit ihm weiterführen, meint Der Bund:
„Dem Egozentriker den Dialog zu verweigern, hiesse, ihn noch aufzuwerten und seinen Furor zu befeuern. Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als im Gespräch zu bleiben. Das ist kein Plädoyer dafür, sich an Trump zu gewöhnen, Rüpeleien, Banalität und Sexismus hinzunehmen oder, etwa in der Klimapolitik, einfach stehen zu bleiben. Im Einzelfall sind sogar sehr viel deutlichere Widerworte nötig. Zugleich heisst es aber, anzuerkennen, dass die Existenz dieses US-Präsidenten real ist. Statt auf eine Amtsenthebung oder andere Wunder zu hoffen, sollten sich die US-Partner Trumps Spieler-Gen, seine Gefallsucht und seinen Wunsch nach raschen Erfolgen zunutze machen. Dass das geht, haben die Chinesen bewiesen, die vom Wirtschaftsstaatsfeind Nummer eins über Nacht zum Partner im Nordkorea-Konflikt mutierten.“
Hulverscheidt Claus
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ZEIT ONLINE (DE)

Das Modell G7 hat ausgedient

Nach dem schwierigen Gipfeltreffen in Taormina stellt Zeit Online das Format G7 insgesamt in Frage:
„Zur Erinnerung: Die G7 waren einmal eine Art Weltregierung, als die alten Industrienationen in der Welt noch den Ton angaben. Als sich die globalen Kräfteverhältnisse mit dem Aufstieg der Schwellenländer in Asien und Lateinamerika verschoben, wurde die G20 gegründet, in der die neuen Mächte vertreten sind. Die G7 behielt man bei, als informelles Koordinationsgremium der Länder, die sich dem Westen zugehörig fühlen. … Je länger Trump regiert, desto deutlicher wird, dass die Vereinigten Staaten von Amerika aus europäischer Sicht womöglich bald nur noch ein Land sind, mit dem man je nach Problemlage innerhalb der G20 lose Allianzen eingeht. So wie es heute mit den Chinesen gehandhabt wird, die beim Klima sehr engagiert sind. Es bräuchte dann keine vorherige Abstimmung im Kreis der G7 und es bräuchte auch die G7 nicht mehr.“
Mark Schieritz
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HOSPODÁŘSKÉ NOVINY (CZ)

Zu Hause wird es für Trump erst richtig schwer

Für Trump waren der Nato-Gipfel und das G7-Treffen im Grunde eine willkommene Verschnaufpause, kommentiert Hospodářské noviny:
„Sieht man unter anderem von den nur mäßigen Ergebnissen des G7-Gipfels ab, präsentierte sich Trump als Staatsmann. In den neun Tagen im Ausland stellte er sich aber kein einziges Mal den Fragen der Journalisten. Der Grund dafür lag zu Hause, im Skandal um die Vorwahl-Beziehungen von Trumps Leuten mit dem Kreml. Während der Reise kam heraus, dass Trumps Schwiegersohn und Schlüsselberater letzten Dezember Treffen mit den Russen vereinbarte - unter der Bedingung, dass sie in der russischen Botschaft stattfinden, die nicht vom FBI abgehört werden kann. Trumps Mandat zerbröselt unter dem Gewicht des Verdachts, dass er der Öffentlichkeit die Wahrheit über seinen möglichen Pakt mit Putin verschweigt. Wenn er die Fragen dazu weiter ignoriert, wird sich der Verdacht nur verstärken.“
Teodor Marjanovič
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Ernüchterung nach Trumps Europareise
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Wie gefährlich ist Trumps Umgang mit der Nato?
Als erster US-Präsident seit Gründung des Nordatlantikpakts bekennt sich Donald Trump auf dem Nato-Gipfel nicht ausdrücklich zum Beistandsartikels 5. Stattdessen wirft er den Partnern mangelnden finanziellen Einsatz vor. Laut Kommentatoren spielt diese Konfrontationsstrategie vor allem Russland in die Hände.
AKŞAM (TR)

Trump verkennt Rolle der Nato

Mit der Kritik am fehlenden finanziellen Beitrag der Europäer zur Nato gefährdet Trump den Zusammenhalt im nordatlantischen Verteidigungsbündnis, meint Akşam:
„Man kann es vielleicht wichtig finden, dass Trump ständig betont, kein Nato-Mitglied tätige die ihm obliegenden Zahlungen in voller Höhe. Aber er hat einfach nicht begriffen, dass die Nato seit 70 Jahren einen globalen Krieg verhindert und dass dieser Erfolg nicht einfach so in Frage gestellt werden kann. ... Letztendlich ist das einzig echte Ergebnis des Nato-Treffens die Übereinkunft zwischen Trump und [dem Präsidenten des Europäischen Rates] Donald Tusk, dass sie in Bezug auf die Ukraine dieselben Standpunkte vertreten. Die Teilnehmer des Gipfels sind zu dem Schluss gekommen, dass Trump keine vertrauenswürdige Person und auch die Anführerschaft der USA innerhalb der Nato in Frage gestellt ist. Und dieser Kurs gefällt wiederum Putin.“
Deniz Gökçe
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ZIARE (RO)

US-Kurs spielt Russland in die Hände

US-Präsident Donald Trump hat beim jüngsten Europa-Besuch eher die Interessen Russlands als die seiner europäischen Partner bedient, beobachtet Ziare:
„Trump hat als Präsident der USA und Befehlshaber der größten Streitkraft der Welt eine klare Bekräftigung von Artikel 5 [des Nordatlantikvertrags] vermieden und so Russland den Weg freigemacht, den Druck auf die baltischen Staaten zu erhöhen. ... Alles, was der US-Präsident außenpolitisch unternimmt, scheint im Vorfeld mit [Russlands Präsident] Wladimir Putin abgesprochen zu sein. Seine Handlungen und Erklärungen zielen alle darauf ab, die EU und die Nato zu schwächen. Auf seiner diplomatischen Rundreise lobte er den Brexit, setzte die Nato-Mitglieder unter Druck, griff Deutschland an und markierte den starken Mann gegenüber Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron.“
Emilian Isaila
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GAZETA WYBORCZA (PL)

Risiko eines Krieges in Europa steigt

Dass Trump sich in seiner Rede nicht eindeutig zu Artikel 5 des Nordatlantikvertrags bekannt hat, erhöht nach Ansicht von Gazeta Wyborcza das Risiko eines Kriegs:
„Trumps Schweigen zum Artikel 5 bedeutet, dass die USA den Nato-Staaten keine bedingungslose Sicherheitsgarantie mehr geben. ... Für ein Russland, das entschlossen ist, um jeden Preis verlorene Gebiete und Einflusszonen zurückzugewinnen, könnte das grünes Licht für Aggressionen bedeuten. So entschlossen ist Putins Russland zwar nicht. Doch es könnte ihm schwerfallen, die Möglichkeit, die Trump ihm bietet, überhaupt nicht zu nutzen. Moskau muss jetzt prüfen, was der neue Standpunkt der USA in der Praxis bedeutet. Er bedeutet jedenfalls eine größere Bedrohung für Mittelosteuropa. ... Für die baltischen Staaten sogar eine existentielle Bedrohung. Die Gefahr eines neuen Krieges in Europa ist realer geworden.“

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