Montag, 31. Juli 2017

Führt Maduro Venezuela in den Abgrund?

Unter heftigen Protesten hat Venezuelas Präsident Nicolás Maduro eine Volksabstimmung über die verfassungsgebende Versammlung abhalten lassen. Kritiker werfen ihm vor, er plane eine Verfassungsänderung, um sich diktatorische Vollmachten zu sichern. Auch Europas Presse fürchtet um die Demokratie in dem wirtschaftlich gebeutelten Land und warnt vor regionalen Auswirkungen.
TAGES-ANZEIGER (CH)

Die Entmachtung des Parlaments

Für den Tages-Anzeiger versucht Maduro, die Demokratie auszuhebeln:
„Keine Demokratie ist ohne Wahlen denkbar, aber wenn die Wahlen so ablaufen wie am Sonntag in Venezuela, dann können sie auch zur Zerstörung der Demokratie beitragen. Staatspräsident Maduro hat vorab die Spielregeln festgelegt. Das schrumpfende Lager seiner Anhänger wird deshalb als Sieger hervorgehen. Nach offizieller Sprachregelung durften die Venezolaner über die Zusammensetzung einer 'verfassungsgebenden Nationalversammlung' abstimmen. Was tatsächlich geschah, war die endgültige Entmachtung des Parlaments.“
Boris Herrmann
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SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (DE)

Das Volk hat nicht gesprochen

Auch für die Süddeutsche Zeitung war die Wahl alles, nur nicht im Sinne des Volkes:
„Bei den bislang letzten Wahlen, die diesen Namen verdienen, gewannen Maduros Gegner 2015 rund zwei Drittel der Sitze in der eigentlichen Nationalversammlung. Das Volk Venezuelas hat sein Urteil über diesen Dreivierteldiktator also längst an der Urne kundgetan. … Mit der sogenannten Wahl vom Sonntag schafft er sich nun ein neues Parlament. Eines, das ihm besser passt. Es gibt wohl nur drei Dinge, die Maduro kurzfristig zum Umdenken bewegen könnten: eine Revolte des Militärs, harte Sanktionen der wichtigsten Erdölkunden USA und China oder die Einsicht, dass er ein einstmals reiches Land geradewegs in den Untergang führt. Auf Punkt drei sollte man zuallerletzt wetten.“
Boris Herrmann
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THE TIMES (GB)

Zeit für Sanktionen

The Times befürchtet eine weitere radikale Verschlechterung der Lage im Land:
„Venezuelas Chaos muss international mit Sorge betrachtet werden. Der Flüchtlingsstrom nach Kolumbien - oder gar über das Meer nach Trinidad - könnte sich zu einer Flüchtlingskrise ausweiten, die die gesamte Region destabilisiert. Die regionale Wirtschaftsunion Mercosur hat Caracas bereits ausgeschlossen. Wenn Maduro den Weg in Richtung Diktatur weitergeht, dann sollte die Region das Land auch aus der Organisation Amerikanischer Staaten ausschließen. Mit Recht hat Kolumbien bereits angekündigt, Maduros verfassungsgebende Versammlung nicht anzuerkennen. ... Die gespaltene Opposition des Landes muss sich nun einen und beschließen, nicht nur den unglückseligen Maduro, sondern auch das populistische Erbe von Hugo Chavez zu verurteilen. Die Alternative wären eine Abwärtsspirale und eine moderne Tragödie.“
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LA STAMPA (IT)

Probleme wurzeln in der Vergangenheit

Für La Stampa hat Venezuelas Ruin seine Wurzeln in der Bolivarischen Revolution des verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez:
„Wie lässt sich erklären, dass Venezuela als eines der lateinamerikanischen Länder mit dem besten Wirtschaftspotenzial am Rande des Ruins steht und vier von fünf Familien an der Armutsgrenze leben? Ein Land, mit Erdölreserven, die selbst die saudischen übertreffen? Die Erklärung liegt gänzlich in der Schwäche des 'sozialistischen' Prozesses der einzig und allein auf den Petrodollars aufgebaut wurde. ... Als der Erdölpreis von 100 Dollar pro Barrel auf weniger als die Hälfte einbrach, stürzte mit ihm der Sozialstaat ein, aber die Projekte und Investitionen, die der verstorbene Präsident Chávez mit (in der Tat bolivarischem) Ehrgeiz für Venezuela und andere Länder Südamerikas wie Kuba ins Leben gerufen hatte, blieben unverändert.“
Guanella
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Führt Maduro Venezuela in den Abgrund?

Samstag, 29. Juli 2017

Hotspots in Nordafrika? Paris prescht vor


Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag angekündigt, noch im Sommer sogenannte Hotspots in Libyen einzurichten - um nur wenige Stunden später von diesem Vorstoß abzurücken. Die Sicherheitslage lasse dies im Moment nicht zu, hieß es aus dem Elysée-Palast. Man wolle aber die Machbarkeit im Grenzgebiet von Libyen, Niger und dem Tschad prüfen. Für Europas Kommentatoren ein Anlass, Für und Wider einer solchen Asylpolitik zu diskutieren.
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (DE)

Viel Potenzial, viele Risiken

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kann den Vorschlägen Macrons einiges abgewinnen:
„Es ist offenkundig, was für solche Stellen spräche: Schon dort könnten sich Asylbewerber melden; jene Migranten aber, die keinerlei Aussicht auf Bleiberecht in Europa hätten, könnten von der gefährlichen Überfahrt abgehalten werden; Schleusern würde, wenigstens zum Teil, das Geschäftsmodell zerschlagen. Allerdings wäre vieles zu klären: Nach welchen Regeln und unter wessen Aufsicht würden solche Stellen betrieben? Müsste in Libyen, einem zerfallenen Staat, nicht eine militärische Komponente präsent sein? Und würden solche Stellen nicht wie Magnete wirken, die Migranten von wer weiß woher anziehen? Eins ist klar: Wer die Völkerwanderung eindämmen will, muss auch bei den Anreizen ansetzen.“
Klaus-Dieter Frankenberger
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LE FIGARO (FR)

An die Wurzel des Problems gehen

Auch Le Figaro gefällt die Idee von Hotspots in Libyen:
„Es geht darum, das Problem an der Wurzel zu packen, und zwar auf dem afrikanischen Kontinent, anstatt innerhalb unserer Grenzen, wenn es bereits zu spät ist. … Dies wird selbstverständlich nicht ausreichen, um das komplexe und langwierige Problem zu beseitigen, zumal das Eröffnen von Einrichtungen auf libyschem Gebiet eine heikle Angelegenheit ist - vor allem wenn die Europäer, die in Sachen Flüchtlingspolitik oft bemerkenswert ineffizient sind, nicht mitmachen oder das Ganze schleifen lassen.“
Paul-Henri du Limbert
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KURIER (AT)

Eine Frage der Moral

Wer den Flüchtlingsstrom durch Hotspots in Nordafrika eindämmen will, muss auch die moralische Verantwortung dafür tragen, mahnt der Kurier:
„Wir werden Hunderttausende in ein Land zurückschicken, in dem sie ... misshandelt, vergewaltigt und ihrer letzten Habe beraubt werden und unter Bedingungen hausen, die jeden, der sie gesehen hat, vor Entsetzen verstummen lassen. Wir machen uns zu Partnern von bewaffneten Milizen, respektive eines Diktators, der Menschenrechte mit Füßen tritt. Wenn die Politik meint, auf diese Weise ihre Bevölkerung vor illegaler Zuwanderung schützen zu müssen, ist das legitim. Sie muss aber auch offen dazu stehen, dass Menschenrechte dabei keine Rolle spielen.“
Konrad Kramar
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IL SOLE 24 ORE (IT)

Macrons riskante Wette

Il Sole 24 Ore glaubt, dass Paris mit Libyen letztlich einen Flüchtlingsdeal aushandeln will - und mahnt zur Vorsicht:
„Frankreich hat enorme Probleme mit seiner Integrationspolitik und versucht sie auf seine Weise zu lösen: Es schließt seine Häfen und sucht verzweifelt jemanden vor Ort, von [Militärführer] Haftar bis zum [Ministerpräsident der Übergangsregierung] al-Sarradsch, der bereit ist, die schmutzige Arbeit zu machen. Denn genau das bedeutet es, Hotspots in Libyen einzurichten. ... Nach Deutschland, das die Balkanroute dank des Deals mit Erdoğan geschlossen hat, versucht Paris den gleichen Weg in Nordafrika und der Sahelzone zu gehen. Damit geht es eine riskante Wette ein: Die Libyer könnten sich weitaus tückischere Erpressungen ausdenken als Erdoğan.“
Alberto Negri
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