Montag, 31. Dezember 2012

Kanzlergehalt

Zu Kiesingers Zeiten hat es mich noch verwundert, dass er laut einer Illustrierten (Stern?) mit 10 000 DM im Monat weniger bekam als ein Durchschnittscallgirl.
Heute dürfte es zum Allgemeinwissen gehören, dass bei gleicher Befähigung ein Mann etwa 30% mehr verdient als eine Frau und ein Manager 10 bis 100 mal so viel wie ein Politiker. (Wer die genauen Zahlen hat, möge mich korrigieren.)
Wenn ZEIT online schreibt: "SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stößt die nächste Gehaltsdebatte an: Die Einkünfte der Kanzlerin sind ihm zu niedrig – jeder Sparkassendirektor verdiene mehr", so hat gewiss ein Journalist hart gearbeitet, bis er die Rechtfertigung für eine solche Meldung beisammen hatte. Gewiss wollte Steinbrück keine Debatte anstoßen, sondern der Journalist die Meldung haben.
Aber: Wenn ein Kanzlerkandidat schon gegen den Willen eines Großteils seiner Partei bestimmt wird, dann dürfen die Mitglieder von ihm erwarten, dass er sich wengstens professionell verhält. Wer weder als Ministerpräsident noch als Finanzminister gelernt hat, Fragen auszuweichen, der muss schon erhebliche Qualitäten haben, um das in diesem politischen System auszugleichen.

Samstag, 29. Dezember 2012

Was die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache nicht sagen wird

Stephan Hebel hat in der Frankfurter Rundschau einen informierten Blick in die Zukunft getan und zusammengestellt, was sie sagen könnte, aber nicht sagen wird. Statt dessen werde sie weiter Märchen erzählen.
In einer fiktiven Ansprache lässt er sie sagen:

  • "Ich könnte Ihnen heute erzählen, was die europäische Finanzkrise mit deutscher Lohnsenkungspolitik, mit einseitiger Exportorientierung und Steuerdumping zu tun hat."
  • "Ich könnte Ihnen erzählen, dass [...] wir sogar an der Euro-Krise verdienen ..."
  • "Ich könnte Ihnen erzählen, wie sehr uns deutschen Politikern die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge am Herzen liegt"
Und er ist überzeugt, sie wird es nicht tun. 

Selten hat er mir so sehr aus dem Herzen gesprochen. 
Freilich, er nennt seinen Kommentar "Märchenstunde mit Angela Merkel". Mir schiene die Überschrift "Merkel will uns verkohlen und verkohlt dabei mehr und mehr" etwas passender. 

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Vergleich Wulff - Fitschen

Wulff bildete sich ein, seine Kooperation mit der BILD dauerte unbegrenzt an und drängte nach einer besseren Presse - für sich.
Fitschen denkt, deutsche Regierungschefs wären schon bereit, öffentlich den Berlusconi zu geben und offen gegen die verfassungsmäßige Gewaltenteilung zu kämpfen.
Dass der BILD folgend immer mehr Presseorgane das Spiel spielen, Poltiker ohne inhaltliche Rechtfertigung hochzujubeln und sie später nach einer kaum geänderten Faktenlage zu verdammen, ist zwar nicht gut; aber es ist nur eine Übersteigerung dessen, was die BILD schon seit Jahrzehnten gemacht hat.

Wenn aber Wirtschaftsvertreter das begründete Vertrauen entwickeln, die Banken seien so systemrelevant, dass der Staat das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung für sie abschaffen werde, dann birgt das als Angriff auf unser Gemeinwesen eine noch größere Gefahr als die Spiegel-Affaire.
Die Presse reagiert aber erstaunlich zurückhaltend. Warum wohl?

Banken bedienen sich, machen aber nicht ihren Job


"Derzeit hat die [Europäische] Zentralbank alle Schleusen weit geöffnet", schreibt Spiegel online. "Sie pumpt immer mehr Geld ins Finanzsystem. Unter normalen Umständen würde dieses Geld schnell in Form von neuen Krediten bei den Unternehmen und Privathaushalten ankommen - die Geldmenge würde rasant wachsen, die Gefahr von Inflation wäre groß.
Doch die Notenbanker haben derzeit ganz andere Probleme als Inflation. Ihr Geld kommt nicht im Wirtschaftskreislauf an. Viel zu oft verzichten die Banken derzeit auf Rendite und parken ihr Geld nahezu unverzinst bei Daubes Finanzagentur, anstatt es zu höheren Zinsen, aber auch mit höherem Risiko an Unternehmen zu verleihen. [...]  "Die Liquidität hat die Realwirtschaft nicht wirklich erreicht", sagt Draghi, der Chef der EZB.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Was Öffentlichkeit für ein Unheil anrichten kann

Unvergesslich ist mir der Fall einer Fernsehpersönlichkeit des Jahres in Großbritannien, die in einem Supermarkt für 70 Penny gestohlen hatte. Ihr Bild wurde zusammen mit einem Bericht über ihren Prozess im Fernsehen gezeigt und in den großen überregionalen Zeitungen auf der ersten eite abgedruckt. Innerhalb von drei Tagen beging sie Selbstmord.

Jetzt geht es um den Fall einer 46-jährigen Krankenschwester, die einem Betrug zum Opfer fiel. Sie stellte einen Anruf, den sie fälschlicherweise für den von Königin Elisabeth und Kronprinz Charles hielt, zur schwangeren Herzogin von Cambridge durch. Jetzt ist sie tot. Ob Selbstmord vorliegt, ist nicht sicher. Die Moderatoren eines australischen Rundfunksenders, die den Anruf ausführten, zeigen allerdings große Betroffenheit.
Nicht jeder ist so dickhäutig wie Roland Koch und Helmut Kohl, die schwere Vorwürfe, die gegen sie öffentlich erhoben wurden, einfach abschüttelten.
Die Krankenschwester stammt aus Indien und hatte sich nichts als Gutgläubigkeit vorzuwerfen. Dass dies aber in der gesamten Öffentlichkeit bekannt war, hat sie offenbar nicht ertragen. (Premier Cameron spricht schon jetzt von Suizid.)
Heinrich Böll hat eindrucksvoll geschildert, wie eine Person darunter leiden kann, wenn sie öffentlich bloßgestellt wird ("Die verlorene Ehre der Katharina Blum").

In den hier angesprochenen Fällen geht es aber nicht um die fiktive Darstellung eines Rufmordes, sondern um die Gedankenlosigkeit  und fehlende Empathie von Journalisten.
Nicht nur, was bei Facebook steht, kann Leben zerstören.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Steuerehrlichkeit ist schlecht für die Wirtschaft ...

"... der Trend zu mehr Ehrlichkeit wirkt wie eine Steuererhöhung - und die ist Gift für eine ohnehin schwache Wirtschaft", teilt uns Wolfgang Münchau in Spiegel online mit. "Der eigentliche wirtschaftliche Effekt der Steuer-CDs sind nicht die paar hundert Millionen, die man jetzt von den Sündern kassieren wird. Wichtiger ist der größere, aber nicht messbare Effekt von Steuerdelikten, die in der Zukunft nicht mehr stattfinden."
Und darin liege die Gefahr.

Jetzt weiß man endlich, weshalb die griechische Wirtschaft in Schwierigkeiten geraten ist:
Beamte und Bürger waren zu ehrlich. Vor allem in Zeiten schlechter Konjunktur muss man betrügen!

Ich warte noch auf den allgemeinen Aufruf des Finanzministers: "Zahlt keine Steuern!"

Aber nein, das könnten die Normalbürger missverstehen. Der Aufruf ergeht nur insgeheim. Wer ihn wie die drei besagten hessischen Wirtschaftsprüfer boykottiert, wird abgehalftert, zur Not mit gefälschten Gutachten.

Aber so will es Münchau wiederum auch nicht gesagt haben. Man könne ja auch ganz offiziell Steuern senken.

Hinweis von Spiegel online:
Wolfgang Münchau ist Associate Editor und Kolumnist der "Financial Times" und Mitbegründer von www.eurointelligence.com, einem Informationsdienst über den Euro-Raum. Er gründete die "Financial Times Deutschland" mit und war deren Co-Chefredakteur.

Und noch ein Zitat von Münchau zur Klarstellung:
"Wenn am Ende alle ihre Steuern bezahlen, müsste man doch im Gegenzug die Steuersätze senken, um den Einkommenseffekt auszugleichen. Das wäre auch die richtige Maßnahme, wenn man die Steuerbasis jetzt erweitert. Das wird aber nicht passieren, weil die Regierungen die Summen aus dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung schon verplant haben. Sie haben also bewusst die Steuern erhöht und verdecken das."

Montag, 3. Dezember 2012

Deutscher Waffenexport

70 % der deutschen Waffenproduktion gehen in den Export. Die schwarzgelbe Bundesregierung hält sich noch weniger als frühere Regierungen an die offiziell festgeschriebene Regelung, dass Waffen nicht in Krisengebiete geliefert werden dürfen. Dabei wird äußerste Geheimhaltung beobachtet. Die Öffentlichkeit wird immer erst nach den Lieferungen informiert.
Doch immer wieder sickert etwas durch. So jetzt die Nachricht von Panzern für Saudi-Arabien und bunkerbrechender Munition für Israel.

Zwei Begründungen werden dafür meist ins Feld geführt:
1. Besser, als deutsche Soldaten zu entsenden, sei es, die betroffenen Länder selbst ihre Verhältnisse regeln zu lassen.
2. Wenn die deutsche Rüstungsindustrie allein von bundesdeutschen Aufträgen lesen müsste, wären wegen des niedrigeren Umsatzes die Waffen für Deutschland nicht bezahlbar. Mittelfristig müssten dann alle Waffen in den USA gekauft werden.

zu 1: Man weiß, was die Waffenlieferungen an die Taliban für Afghanistan gebracht haben.
zu 2: In der Konsequenz dieses Argumentes müsste Deutschland auch seinen Gegnern Waffen liefern, damit sie bezahlbar bleben.

Ausführlicher dazu: Steffen Hebestreit in der Frankfurter Rubdschau vom 3.12.12

Meine bisherigen Stellungnahmen zum Rüstungsexport

Freitag, 30. November 2012

Ende des Wachstums

Wie schnell muss in den Industrieländern eine Schrumpfung erreicht werden, damit weltweit ein Ende des Wachstums möglich wird?

Streitgespräch (Video ) zwischen Michael Dauderstädt und Niko Paech

Dazu die Warnung zum Klimawandel: 5 Grad Erwärmung zu erwarten

Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa und was man dagegen tun sollte

Jugendarbeitslosigkeit: Eine Generation vor dem Nichts (Trouw, Amsterdam)

Ein ERASMUS-Programm für Arbeit (Les Echos, Paris)

Samstag, 24. November 2012

Bundesparteitag der Piraten 2012

Berichte
ZEIT, 24.11.
Liveticker bei Spiegel online
Twitterberichte und Kommentare
Videostream vom Parteitag
Wiki:
Tagesordnung
Anträge

Mein Fazit:

Man hat sie in eine Falle gelockt: Vollpartei statt "Interessenpartei". Dabei ist Transparenz ein sehr allgemeines Ziel und das Internet ein sehr wichtiges Arbeitsfeld. Man hat es "Betriebssystem der Gesellschaft" genannt. Die Grünen waren auch keine "Vollpartei", als sie erstmals in den Bundestag einzogen.
Sie können aber noch aus der Falle heraus.
Was aber unvermeidlich sein dürfte: Sie müssen erfolgreich Beiträge erheben, damit sie sich ein paar Vollzeitkräfte leisten können.

Katharina Nocun neue Geschäftsführerin der Piraten

Sascha Lob: Die Piratenpartei hat noch eine Chance (15.5.13)

Donnerstag, 22. November 2012

EU-Haushaltsdiskussion u.a. im Spiegel der europäischen Presse

"Die Verhandlungen basieren auf einem Vorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der vorsieht, 73 der vorgesehenen 1033 Milliarden Euro des Gesamthaushalts zu streichen. Die „Großen“ – an erster Stelle Großbritannien – sollen entlastet werden, während die „Kleinen“ um die für sie lebensnotwendigen Gelder aus dem Kohäsionsfonds fürchten." presseurop

Marina Weisband

Zu ihrem Porträt durch Anne Kunze "Sie will doch nur spielen" in der ZEIT vom 22.11.12, S.4:

Mich erinnert Weisband an Petra Kelly. Charismatisch und verletztlich.
Wer sie in hervorgehobener Position in die Politik zurückholen will, sollte sich überlegen, ob das nicht bedeutete, sie zu zerstören. Und wenn man an Kellys Schicksal denkt: auch ihren Lebensgefährten.

Nach dem Porträt von Anne Kunze wirkt Weisband verletztlicher als Petra Kelly, und ihr Verlobter Marcus  ist noch nicht einmal General.

Auf ihrem Blog ist Marina, so weit ich wahrnehme, seit dem 4.11. verstummt. Auf Twitter ebenfalls.
[30:11.: Die Kommentare (besser: Diskussionsbeiträge) zu ihrem Blogbeitrag laufen freilich munter weiter.]
Hinweis: Seit dem 4.12. twittert Weisband wieder, u.a.: "Alles gut."

Die Piratenpartei hat schon manches bewirkt. Wenn sie wirklich Weisband brauchen sollte, um zu überleben, dann wäre die Partei den Aufwand nicht wert.

Anmerkungen:
Dass Weisbands Stärken mit einer besonderen Verletzlichkeit einhergehen und dass sie sich angreifbar macht, ist mir schon etwas früher aufgefallen. Als beunruhigend empfinde ich es, dass innerhalb ihrer Partei und ihrer persönlichen Anhängerschaft das Gefühl dafür nicht besonders ausgeprägt zu sein scheint.
Sie braucht kein Mitleid, aber auch keine Appelle, Verantwortung für die Gesamtpartei zu übernehmen.

Der Titel des ZEIT-Artikels "Sie will doch nur spielen" erweckte bei mir spontan die Vorstellung, es gehe um eine Hündin. Auch wenn die Verfasserin diese nahe liegende Assoziation übersehen haben sollte: Jemand, der seinen Parteiposten bei einem Stimmungshoch für die Partei verlässt und dann beim Niedergang der Partei mit dem Gedanken spielt, wieder einzusteigen, ist sich vielleicht über seine Motivation nicht im klaren; aber dass er subjektiv der Meinung ist, nicht nur einem Spieltrieb nachzugehen, sondern etwas für andere zu tun, sollte man zumindest als Möglichkeit einrechnen.
Wenn man das im Auge hat, sollte man sich darüber im klaren sein, dass man die Person, über die man so schreibt, sehr verletzt.
Ist das gegenwärtig nötig? Welch ein Gefahrenpotential geht von Frau Weisband aus, das diese Verletzung nötig macht?

Lore Ress schreibt am 20.11.12:
"Speziell bei der Piratenpartei wird die persönliche Individualität und Authentizität hoch gepriesen. Aber auch hier ist zu überlegen, was unterstützt die gemeinsame Arbeit bzw. muss evtl. die Individualität zugunsten des gemeinsamen Ziels begrenzt werden."
Dies sollten sich sicher eine Reihe von Piraten überlegen. (Ich fange absichtlich keine Liste an, weil ich mit Sicherheit wichtige Namen auslassen würde.) Aber fatal wäre es, wenn Weisband sich "zugunsten des gemeinsamen Ziels" überfordern würde.

Ich weiß sehr sehr wenig über Weisband, aber inzwischen mehr über Petra Kelly, als mir lieb ist.

Berichte vom Bundesparteitag der Piraten
ZEIT, 24.11.
Liveticker bei Spiegel online
Twitterberichte und Kommentare
Videostream vom Parteitag

Sonntag, 11. November 2012

Demokratieverhöhnung

An der Sendung mit Raab haben teilgenommen am 11.11.:
Dr. Michael Fuchs (CDU), Thomas Oppermann (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP), Jan van Aken (DIE LINKE) und eine Unternehmerin, die keinen Ruf zu verlieren hat.
Silke Burmester kommentiert: "Stefan, Du bist der Held der Fernsehgegenwart, Du bist der Affe meines Herzens!" - So glaubten 1925 auch manche kommentieren zu dürfen. Es geht aber nicht nur darum, dass Fernsehen "spätrömische Dekadenz" zeigt. Das zeigt es spätestens seit Big Brother. Tweet von Tom Strohschneider ‏@Linksdings "Bei den 14- bis 29-Jährigen hatte #Raab mehr Zuschauer, als alle ARD- und ZDF-Talks der vergangenen Woche zusammen" So macht das Privatfernsehen  im Verein mit fehlgeleiteten Parteipolitikern die gute Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung zunichte.

Unkommentiert der Kommentar von Felix Scharlau und die Tweets zu #Raab . Dann der Blogartikel von Ch. Bieber.

Samstag, 10. November 2012

Eine Stimme aus Bukarest zu Obamas Wiederwahl

România liberă geht gegen den Strom der meisten europäischen Zeitungen und findet, „Obamas Wiederwahl ist eine schlechte Nachricht“ für die Vereinigten Staaten und für die Welt insgesamt. Die Tageszeitung aus Bukarest zieht eine negative Bilanz der ersten Amtszeit des US-Präsidenten, insbesondere in der Außenpolitik:
"Die Obama-Regierung hat ihre führende Stellung in der Welt unter dem ideologischen Vorwand aufgegeben, dass es die amerikanische Beispielhaftigkeit nicht gibt [...] und die Zeit ist für sie gekommen, es anderen zu überlassen, Ordnung in die Welt zu bringen."
(zitiert nach presseurop, dort auch weitere Stimmen zu Obamas Wiederwahl)

Wie das Schlagwort "Generationengerechtigkeit" den Blick für soziale Gerechtigkeit verstellt

Die Forderung nach privater Lebensversicherung für Geringverdiener stößt diese in Unterversorgung. Stephan Hebel weist jetzt in der FR vom 10.11. darauf hin: "Rente nach Kassenlage, Entlastung der Arbeitgeberseite, Förderung der Finanzindustrie" durch Subventionen hilft nicht gegen Altersarmut aufgrund von "Minirenten durch Niedriglohn und prekäre Beschäftigung". Der Begriff "Generationengerechtigkeit" soll das Faktum verstellen, "dass die demografische Entwicklung das Land nicht ärmer macht, sondern dass der wachsende Reichtum der Verteilung zu sozialen Zwecken entzogen wurde." Besser als ich sagt es Christoph Butterwegge: "Armut entsteht nicht trotz, sondern durch Reichtum." Eine umfassende Studie zu "Armut im Alter" hat er jetzt zusammen mit zwei anderen Herausgebern herausgebracht. Dort werden Alternativen zu den gegenwärtigen Pseudomaßnahmen aufgezeigt.
Hier noch das Vorwort von Ch. Butterwegge zum Kritiscehn Jahrbuch 2012/13.

Freitag, 9. November 2012

Private Lebensversicherungen in Schwierigkeiten

Dass ein privater Anteil an der Lebensversicherung für Geringverdiener das Risiko der Unterversorgung erhöht, scheint sich zu bestätigen. Nach Markus Sievers von der Franfurter Rundschau vom 8.11. 12 haben immer mehr Lebensversicherer Schwierigkeiten, die vorgeschriebene Mindestrendite einzuhalten, obwohl sie jetzt schon deutlich abgesenkt ist.

Montag, 5. November 2012

Kontroverse Marina Weisband - Spiegel

http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelblog/marina-weisbands-falsche-vorwuerfe-gegen-den-spiegel-a-865411.html

Nachdem ich beide Blogartikel und den Spiegelbericht gelesen habe, nehme ich an, dass Merlind Theile im Recht ist und das aus zwei Gründen:
 1. Der Bericht "Die gute Fee" Spiegel Nr.45, 5.11.12, S.37 ist durchaus mit Sympathie für Marina Weisband geschrieben. Formulierungen wie "Marina Weisband wirkte stets klug, aber auch etwas zu zerbrechlich für die Härte des politischen Betriebs [...] Weisband zog sich zurück aus der Bundespolitik [...] Sie hätte es dabei belassen können, aber in ihrer Erzählung klingt es, [...] als gebe es Kräfte, die stärker sind als sie" sprechen für Verständnis für Weisbands Situation: Überzeugt von den Zielen ihrer Partei, eine Zeit lang sehr erfolgreich darin, Stimmung für diese Partei zu machen, hat Weisband sich andererseits überfordert gesehen und aufgehört. Der Absturz der Piraten auf der Beliebtheitsskala aber lässt ihr die Situation in neuem Licht erscheinen, und sie fragt sich, ob sie sich der Arbeit an dem von ihr angestrebten Ziel entziehen darf. - Eine Journalistin, die Weisband hätte schaden wollen, hätte diesen Sachverhalt auch als Machtgeilheit einer Möchtegernpolitikerin darstellen können. Wenn sich Theile jetzt gegen Weisbands Kritik wehrt, spricht viel dafür, dass sie sich zu Unrecht angegriffen fühlt, wo ihr Bericht doch so positiv gemeint war.
2. Der Bericht hat seine innere Wahrheit für sich: Es ist sehr schmeichelhaft, wenn der Eindruck entsteht, man sei unersetzlich. Und wenn es außerdem um ein Ziel geht, das man selbst für wichtig hält, dann wird es schwer fallen, die Möglichkeit eines Comeback ganz auszuschließen.
Ich habe aber Verständnis für Weisbands Reaktion. Sie hat in Erinnerung, die gewichtigen Gründe, die gegen eine Rückkehr an die Spitze sprechen, weit deutlicher betont zu haben, als es im Bericht erkennbar wird. Wenn ihr jetzt Parteifreunde vorwerfen, sie fühle sich wohl als besser als alle anderen und als die gute Fee, die als einzige die Partei retten kann, will sie wohl herausstellen, dass sie viel lieber ihre Ruhe hätte.
Sie deshalb der Lüge zu zeihen, halte ich für unangemessen.

Anke Domscheit-Berg "Wir waren zu erfolgreich" in Spiegel online über die Piraten und deutsche Politik und das Internet.

Gipfel im Schatten der Schuldenkrise

China Daily

Donnerstag, 1. November 2012

Wird in China bald nicht mehr durchregiert?

Spiegel online, 1.11.12 will uns Hoffnungen machen:

 Das eindeutige Kräfteverhältnis zwischen der Führung und dem Volk hat sich verändert. Waren es jahrzehntelang die Regierten, die sich vor der Regierung fürchteten, so ist es inzwischen immer öfter die Regierung, die die Regierten fürchtet.
Vier Tage lang protestierten vergangene Woche Tausende Bewohner von Ningbo, einer der reichsten Städte Chinas, gegen den Ausbau einer petrochemischen Fabrik, deren Filteranlagen sie nicht trauen. Es war nur einer von ungezählten "Massenvorfällen" in den vergangenen Jahren - und die örtliche Regierung tat, was sie vor zehn Jahren niemals getan hätte, was inzwischen aber immer häufiger vorkommt: Sie stoppte den Weiterbau und versprach, sich die Sache mit dem Chemiewerk noch einmal zu überlegen.
Mir bekannte Chinesen geben dem gegenwärtigen Regime noch drei, vier Jahre, wenn es sich nicht grundlegend ändert.
In den 60er Jahren wurde uns angekündigt, im Jahre 2000 werde China die Wirtschaft Nummer 1 sein. Es  hat sich ein bisschen verzögert.
Mittelfristig wird China demokratischer und die EU undemokratischer (die EU hat schon kräftig vorgelegt).
Das glaube ich. Aber nicht innerhalb der nächsten vier Jahre.
Und langfristig sind wir alle tot.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Drei Europas - Welches verdient den Preis?


Begeistert stelle ich fest, dass es inzwischen eine gut organisierte, reichhaltige europäische Presseschau in 10 Sprachen mit Links auf die Originalartikel gibt.

Dreierlei Europa von Jacek Pawlicki
11. Oktober 2012 GAZETA WYBORCZA WARSCHAU

Sind diese Europas noch nah genug beieinander, dass man ihnen gemeinsam einen Preis verleihen darf?
Pawlicki nimmt darauf nicht ausdrücklich Bezug.

Freitag, 12. Oktober 2012

Wofür die EU den Friedensnobelpreis nicht bekommen hat

Für das Schüren des sozialen Konflikts in Griechenland.
Für das Schengener Abkommen, das jährlich zum Tod Tausender von Flüchtlingen führt.
[vgl. dazu Daniel Stahl auf L.I.S.A: u.a.:
"Die unrühmliche Kooperation Europas mit Gaddafi bei der Abschottung der libyschen Grenzen ist deshalb Teil der Geschichte des europäischen Integrationsprozesses. Die vielen Afrikaner, die nach ihren Fluchtversuchen in libyschen Lagern gefangen gehalten oder von Regierungstruppen in der Wüste ausgesetzt wurden und dort verdursteten, gehören in die Annalen der EU."]
Für die fehlende Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern, die dazu führt, dass besonders in Griechenland, aber auch in Lampedusa und in vielen Aufnahmelagern grob menschenrechtswidrige Bedingungen herrschen. [vgl. Rettungsschirm für Flüchtlinge in Griechenland!]
Für die Subventionierung von Agrarexporten, die besonders in Afrika die Existenz vieler Kleinbauern zerstören
Für die Abschaffung demokratischer Mitwirkung im Verlauf der Eurokrise (dazu vgl. Enzensberger)
...

Wofür sie ihn bekommen hat, ist, dass sie auf einem relaiv großen Gebiet der Erde Strukturen geschaffen hat, die es ermöglichten, Konflikte zwischen Staaten ohne militärische Gewalt auszutragen.

Angesichts der Greuel, für die die EU verantwortlich ist, hat mich die Verleihung des Preises an die EU verblüfft. Viele Tausende, vermutlich viele, viele Millionen von Menschen hätten den Preis eher verdient als diese Gemeinschaft von Staaten, die so viel Schuld auf sich geladen hat. Insofern stimme ich allen Kritikern zu.
Das Nobelpreiskomitee kann aber nicht allen Millionen Menschen, die für den Frieden tätig sind und nur kleine menschliche Fehler, aber nicht Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen haben, den Friedensnobelpreis zuerkennen.
Wenn man die Jahre von den Anfängen der europäischen Einigung 1951 bis 2012 mit irgendwelchen 61 früheren Jahren der europäischen Geschichte vergleicht, so dürfte es schwer fallen, einen Zeitraum zu finden, wo die europäischen Staaten für weniger Greuel verantwortlich waren. Ganz gewiss gilt das aber für den Zeitraum vor 1951.

Ein Zusatz, der für die meisten überflüssig ist: 
Die Jahre des "europäischen Bürgerkrieges" von 1914 bis 1945 waren im Ganzen schreckliche Jahre für Europa und für die Welt. Dass sie ein Ende gefunden haben und dass nicht wie aus der Neuordnung Europas von 1919 ein neuer Krieg hervorgegangen ist, war gewiss ein Verdienst der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, die gegen die Achsenmächte standen, und besonders ein Verdienst der USA und Großbritanniens.
Doch wenn dieselbe Unversöhnlichkeit, die 1919 zwischen Deutschland und Frankreich bestand und die heute zwischen Israel und den ihm feindlichen Staaten der Region besteht, nach 1945 zwischen Deutschland und seinen früheren Kriegsgegnern fortbestanden hätte, dann hätte der beste Wille und die überlegenste Feuerkraft dieser Staaten nicht ausgereicht, eine so gewaltarme Zeit im Bereich des europäischen Einigungsprozesses zu garantieren, wie dieser sie erreicht hat.
Selbst Gandhi hat mit seinem bewundernswürdigen gewaltlosen Kampf für die Freiheit von Hunderten Millionen Menschen keine überzeugendere Friedensordnung geschaffen als die EU.

Kritiker Europas aller Länder vereinigt euch, Greuel, wie sie aufgrund der Politik der EU geschehen, zu verhindern!

Wenn das gelingen sollte, so hätten die, die das erreichen, längst vor Ablauf von 60 Jahren einen Friedensnobelpreis verdient.

Weiterführende Links:
Blogartikel: Friede war gestern
Internationale Umfrage: Hat die EU den Preis verdient? mit vielen Kommentaren aus diversen EU-Ländern
Europäisches Presseecho auf die Verleihung
bpb über die EU
Jakob Augstein zum Thema (15.10.12)

Montag, 8. Oktober 2012

Zinsvorteile für die Deutsche Bank

Als eine von 29 vom Financial Stability Board als systemrelevant identifizierten Banken hat die Deutsche Bank laut Schätzungen des IWF einen ca. 0.8 Prozentpunkte niedrigeren Zins am Kapitalmarkt zu zahlen, das bedeutet einen jährlichen Zinsvorteil von 1 bis 2 Milliarden, so P. Dausend und M. Schieritz in der ZEIT vom 20.9.2012, S.19

Samstag, 6. Oktober 2012

Streit bei den Piraten

Der politische Geschäftsführer Johannes Ponader wird von seinen Vorstandskollegen angegriffen.
Es sieht nicht so aus, als könnte seine Vorgängerin Marina Weisband sich mit ihrer Haltung durchsetzen: "Wir müssen sagen: Ja, der Johannes ist ein Spinner. Aber er ist eben unser Spinner!"

Katharina Nocun neue Geschäftsführerin der Piraten

Freitag, 5. Oktober 2012

Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad so gut wie unerreichbar.

Schon 2011 vertrat Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur der OECD, die Ansicht, das Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, sei so gut wie nicht erreichbar. Mehr und mehr Klimawissenschaftler stimmen ihm zu. (vgl. ZEIT vom 4.10.12, S.13ff)

Wenn sie an dem 2-Grad-Ziel noch festhalten, so nur, um zu verhindern, dass aufgrund nachlassender Anstrengungen der Politik selbst die letzte minimale Chance vorzeitig völlig vergeben wird.

Mittwoch, 26. September 2012

Eine gefährliche Investitionslücke in Deutschland

Die sieht der Historiker Adam Tooze in seinem Ausatz  „Deutschlands unhaltbares Wachstum – Austerität jetzt, Stagnation später“ in der angesehenen Zeitschrift für internationale Politik Foreign Affairs
Deutschlands Unternehmen hätten sich während der vergangenen zehn Jahre sozusagen dumm und dusselig verdient. Aber die Gewinne seien bis auf einen unbedeutenden Bruchteil alle im Ausland investiert worden. Gleichzeitig seien die Binneninvestitionen historisch auf ein so niedriges Niveau gesunken, das nur dem in den Krisenjahren der Großen Depression vergleichbar sei.
Das, so sagt Tooze, sei ein Indiz für den Zerfall des aktuellen Vorzeigemodells. Schon im Jahr 2011 hätten sich notwendige öffentliche Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro in den Regionen und Städten der Wirtschaftsmusterrepublik gestaut. (zitiert nach: FR vom 26.9.12
Das deutsche Inlandspprodukt wird ins Ausland geliefert (Exportweltmeister) und dort investiert. Für Deutschland bleibt eine Investitionslücke in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Sektor (Schuldenbremse). Die Folgen soll der kleine Steuerzahler tragen, die heutige Generation (Bankenfinanzierung) und und die kommende (Investitionslücke).

Mehr zu Exportweltmeister und Exportüberschuss

Dienstag, 18. September 2012

Weisband

Dass eine ukrainische Jüdin in der deutschen Politik eine nicht unwichtige Rolle spielen würde, weil sie in einer Partei ist, die plant, politische Führung durch Dauerdiskussion zu ersetzen, finde ich noch immer bemerkenswert.
Da mag die Piratin Marina Weisband ruhig ein bisschen selbstverliebt und naiv sein.
Ohne etwas Narzismus wird man kaum länger in der Politik durchhalten. Und junge Parteien kleidet es durchaus, wenn ihre Mitglieder glauben, den herrschenden Politikstil verbessern zu können.

Bei den Republikanern wachsen die Zweifel an der Eignung ihres Kandidaten

Mitt Romney gibt die Schuld am Anschlag auf den amerikanischen Botschafter in Libyen allein Obama.
Wichtige Republikaner äußern Zweifel daran, ob das klug war.

Seine Äußerung, für die 47% der Amerikaner, die keine Steuern zahlen, fühle er sich nicht zuständig, spiel jetzt direkt Obamas Wahlkampfteam in die Hände.

Dienstag, 11. September 2012

Früher sind aus so etwas Kriege entstanden

Weil Deutschland in den Nahen Osten U-boote verkauft hat, bekommt es Ärger.
Aber nicht wegen der atomwaffentragfähigen U-boote für Israel - Grass wird da nicht so ernst genommen, sondern wegen zweier U-boote älterer Bauart, die der Sicherheitsrat der deutschen Regierung im November 2011 an Ägypten zu liefern beschlossen hat. Natürlich nicht ohne Israel zu informieren.
Nun könnte man meinen, jemand hätte die deutsche Regierung daran erinnert, dass schon seit langem ein Beschluss besteht, dass Deutschland keine Rüstungsgüter in Krisengebiete liefern soll. Dass sie sich daran nicht hält, daran ist man freilich schon gewohnt.
Nein, in diesem Fall liegt etwas anderes vor. In Ägypten ist ein neuer Präsident gewählt worden.
Deshalb fühlt sich die deutsche Regierung nicht mehr an den Beschluss des Sicherheitsrates gebunden und Merkel hat die Entscheidung erneut auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates gesetzt.
Das reicht der israelischen Regierung freilich nicht. Sie meldete jetzt "ein Mitspracherecht Jerusalems bei künftigen deutschen Rüstungsexporten in die Region" an. (Spiegel online vom 11.9.12)
Als Frankreich vom deutschen Kaiser forderte, er solle versprechen, dass er keinem Hohenzollern die Zustimmung dazu geben werde, dass dieser spanischer König werde, führte das zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Als Österreich 1914 Serbien ultimativ dazu aufforderte, österreichische Polizei in Serbien bei der Aufklärung des Attentats auf den österreichischen Thronfolger mitwirken zu lassen, führte das zum Ersten Weltkrieg.
Niemand wird annehmen, Israel werde Deutschland angreifen, wenn die deutsche Regierung in diesem Fall  Israel die kalte Schulter zeigt. Noch weniger wird man daran glauben, in dieser Einmischung in Deutschlands Regierungsentscheidungen könne die deutsche Regierung einen Kriegsgrund sehen.
Trotz aller Empfindlichkeiten ist die deutsch-israelische offenbar immer noch ein wenig belastbar.

Sonntag, 9. September 2012

Wechsel von Politikern in die Wirtschaft

Spiegel online schreibt am 9.9.12:
"Übernahmen aus den Kabinetten der Jahre 1969 bis 1982 nur drei Minister binnen zwei Jahren nach Dienstende Tätigkeiten in der Wirtschaft, so wechselten von den seit 2000 ausgeschiedenen Ministern elf in Privatunternehmen.
Die Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Karenzzeit oder einer unabhängigen Prüfkommission für derartige Fälle, wie es sie in anderen Ländern und bei der EU gibt, ist in Deutschland gleichwohl nicht zu erwarten. In einer Umfrage unter den fünf Bundestagsfraktionen lehnten Union und SPD beides ab."
Eine sehr bedauerliche Perspektive!

Samstag, 1. September 2012

Sonderwirtschaftszonen in Griechenland?

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, fordert im SPIEGEL Sonderwirtschaftszonen für Griechenland (Spiegel online, 1.9.12). Recht gebe ich Schulz und Draghi darin, dass kurz- bis mittelfristig tragbare Lösungen gefunden werden müssen und man nicht auf einen Umbau der EU warten darf.

10.9.:
BDI-Vorsitzender Keitel

23.11.12
Immer mehr Griechen verüben Selbstmord

Schutz von Steuersündern?


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will verhindern, dass weitere CDs mit Informationen über Steuersünder aus der Schweiz angekauft und verwertet werden. Der Kauf von Steuer-Daten sieht sie als "hochproblematischen Graubereich, nicht nur ethisch-moralisch, sondern auch juristisch".

Dazu Joachim Poß, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion: "Die Justizministerin will also die rechtmäßige Arbeit von Steuerfahndern per Gesetz behindern und eine Schutzzone für Steuerkriminelle ziehen". (sieh Spiegel online, 1.9.12)

Freitag, 31. August 2012

Arbeitsmarkt

Das Problem, weshalb viele Facharbeitsplätze in Deutschland unbesetzt bleiben, ist nicht die Demographie, es ist die mangelnde Integrationsfähigkeit.
Wir schaffen es nicht, die Jugendlichen an die Art von Anforderungen herauzuführen, die der deutsch Arbeitsmarkt heute stellt, und wir schaffen es nur bedingt, Migranten, die nach Deutschland kommen, zu integrieren.
In ihrem Artikel "Job-Rätsel" in der FR vom 31.8.12 beantwortet Eva Roth die Frage, weshalb zwar die Zahl der Beschäftigten steigt, aber die der Arbeitslosen auch, und das bei zurückgehenden Geburtenraten.

Die wachsende Zahl der Stellenangebote lockt Griechen, Spanier und andere aus Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit an und ermutigt die "stille Reserve", diejenigen, die die Arbeitssuche schon aufgegeben hatten und deshalb nicht mehr als arbeitslos gezählt wurden, erneut ihr Glück auf dem Stellenmarkt zu versuchen. Nicht selten erfolgreich.

ZEIT online 30.8.12: "Schwächeres Wachstum treibt Arbeitslosigkeit hoch"

Information der Bundesregierung zum Problem

Das Beschäftigungsproblem, eine allgemeinere Darstellung von Jürgen Pätzold

Montag, 27. August 2012

Rüstungsexporte

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt und liefert, obwohl es Beschlüsse gibt, wonach das nicht geschehen soll, immer wieder in Krisengebiete, freilich: "Laut einem Kongressbericht stammen weltweit drei Viertel aller Rüstungslieferungen aus Amerika, der Großteil geht in den Nahen Osten." (Spiegel online, 27.8.12)

Sonntag, 26. August 2012

noch einmal: Beschneidung

Einen wunderbar differenzierten Artikel zum Thema "Beschneidung" und einen wertvollen Beitrag zur Diskussion eines Beschneidungsverbotes hat Lorenz S. Beckhardt am 23.8.12 in der Frankfurter Rundschau geliefert. Von anderen Erfahrungen her kommend habe ich eine etwas abweichende Position, aber ich bin sehr dankbar für seinen Beitrag, weil er mir ein weit besseres Verständnis des Problems ermöglicht, als ich es ohne ihn hätte erreichen können. Er schreibt:
Natürlich ist ein Judentum ohne Beschneidung denkbar. Diskutieren, streiten, Regeln aufstellen, um sie wieder zu verändern, das ist jüdischer Alltag. Noch mag die Mehrheit auch der säkularen Juden nicht auf die Beschneidung verzichten. Salopp formuliert: Wir brauchen sie, solange der Geruch der Asche noch in unseren Kleidern steckt. Doch selbst aus einer orthodoxen Gemeinde wird schon heute niemand verwiesen, der unbeschnitten daherkommt.
Aber er weist auch darauf hin, dass es hoch problematisch ist, wenn in Deutschland eine Diskussion über Beschneidung geführt wird, ohne zu beachten, dass es bei der Begründung des Judentums bereits eine Ablehnung der Beschneidung als "barbarisch blutenden Akt" (Abraham Geiger) gab, dass diese Diskussion aber durch die Schoa (Holocaust) in einen Kontext gestellt worden ist, der die Ablehnung der Beschneidung erschwert.
Religionsfreiheit verstehen wir so, dass wir den in Auschwitz unterbrochenen Weg in die Moderne aus eigenem Antrieb und in freier Selbstbestimmung gehen, wie es seit den Tagen Moses Mendelssohns, des großen jüdischen Aufklärers, bei uns Tradition ist. Eine nichtjüdische Begleitung auf diesem Weg benötigen wir nicht; ihn nicht zu behindern, würde dieses Mal schon reichen.
Religionsfreiheit rechtfertigt in meinen Augen nicht Körperverletzung der eigenen Kinder, auch wenn diese ihrerseits noch keine Religionsmündigkeit haben können und den Eltern nicht zugemutet werden kann, ihre Kinder ohne Religion aufzuziehen, wenn sie Religion für ein "richtiges Leben" für notwendig halten.
Aber eine rechtliche Regelung der Beschneidung in Deutschland darf nicht den den historischen Kontext übergehen, in dem Beschneidung in der deutschen Geschichte steht. Dazu ist hochinteressant, zu erfahren, weshalb Beckhardts Vater seinen Sohn nicht beschneiden ließ und weshalb sich dieser mit 20 Jahren für eine Beschneidung entschied. Man lese es nach. (vgl. auch meine frühere Stellungnahme zur Diskussion eines Beschneidungsverbotes)

Nachtrag:
Charlotte Knobloch in der Süddeutschen Zeitung vom 5.9.12 zur Beschneidungsdebatte
Joachim Gauck bei Synagogeneinweihung
Hinweis auf Alfred Bodenheimer: „Haut ab!“, Wallstein-Verlag von Christian Bommarius in der Frankfurter Rundschau vom 1.12.12
Mehr zu Autor und Buch

Nachtrag vom 13.12.12:
Diskussion zu Beschneidung und Blasphemie

Dienstag, 14. August 2012

Weinen mit Wulff, Lob für Lammert

Während sich ein kluger Politiker ein Beziehungsgeflecht aufbaut, das ihn bei Skandalen in Schutz nimmt und nach der Amtszeit eine einträgliche Stellung als Lobbyist in der Wirtschaft sichert, wie Schröder und Koch das getan haben, hat Wulff sich aus der gesicherten Position eines Ministerpräsidenten herausbegeben, ohne vorgesorgt zu haben.
Als Ministerpräsident kann er sich sicher sein, dass alle seine Parteifeinde, die noch etwas in ihrem Bundeslande werden wollen, nach seiner Pfeife tanzen. Als Bundespräsident hat er keine Posten und Aufträge mehr zu vergeben. Da hat ihn selbst die Bildzeitung fallen gelassen. Welcher Konzern will ihn da noch haben!
Als Bundespräsident und als Bundestagspräsident soll man über den Parteien stehen; dadurch verliert man seine Klientel. Man denke an Jenninger (Rede) und Süßmuth („Dienstwagen-Affäre“). Es gehört viel Mut dazu, solch einen Posten so gewissenhaft auszufüllen, wie Lammert es tut: Man darf keine Angst vor Skandalen haben und muss bereit sein, dermaleinst mit den Bezügen vorlieb zu nehmen, die für abgedankte Politiker vorgesehen sind.

In Obamas Bericht "Hoffnung wagen" kann man nachlesen, was alles Politiker zu tun bereit sind, nur um ihren Posten und ihre Anhängerschaft nicht zu verlieren.

Freitag, 10. August 2012

Weshalb ich im Todesfall Organspender sein wollte

Nachtrag vom 24.6.13 als Vorwort:
Ich habe meine hier begründete Bereitschaft zu freiwilliger Organspende nach ca. 30 Jahren, in denen ich einen Organspenderausweis bei mir getragen habe, jetzt beendet.
Dass Organtransplantationen unsozial sind, weil die Organspender nicht selten aus finanziellen Notlagen heraus spenden und die Empfänger hohe Summen für die Organe bezahlen, war mir bekannt. Mit meiner Spende wollte ich einen - zugegebenen minimalen - Beitrag dagegen leisten. Ein menschenunwürdiges Sterben zu provozieren bin ich dafür aber nicht bereit. (formuliert am 29.10.12)

In den Regionen und Lagern, wo die Menschen am verzweifeltsten sind, suchen Organaufkäufer ihre Lieferanten. Das sind zum Beispiel die Lager, wo noch heute Überlebende des Tsunamis der Jahreswende 2004/05 ohne jede Hoffnng, das Lager zu verlassen, leben. Organaufkäufer verschaffen ihnen die Mittel, sich eine kleine Existenz außerhab des Lagers aufzubauen (oder auch nur die Illusion, sie könnten das mit dem Geld erreichen), und lassen ihnen die Organe entnehmen, die am meisten gefragt sind.
Ein großer Teil geht an reiche US-Bürger mit - durch Übergewicht verursachter - Diabetes, deren Nieren auszufallen drohen oder die schon laufende Dialyse brauchen.
Aber es gibt auch andere Organlieferanten: Ein US-Bürger hat bei Einwanderern, die aus Osteuropa nach Israel gekommen sind, genügend Verzweifelte gefunden, die bereitwillig eine ihrer Nieren verkauften.
Er steht jetzt in den USA vor Gericht. Dabei hatte er sich noch mit einer vergleichsweise geringen Handelsspanne begnügt. 20 000 US-Dollar zahlte er für die Niere bei einem Verkaufspreis von ca. 120 000 US-Dollar. (Im Spiegel wurde berichtet, dass in Osteuropa eine Niere für 5000 € gekauft und für    80 000 weiterverkauft wurde. - Diese Angaben mache ich aus dem Gedächtnis. Wer präzise Belege will, liest besser in der Wikipedia unter Organhandel nach oder googelt danach.)
Wenn man, wie für den Kosovo überliefert, Menschen tötet und dann ihre Organe verkauft, ist die Gewinnspanne freilich am größten.

Wer keine Niere hergeben will und das richtige Geschlecht hat, kann sich freilich auch als Leihmutter verdingen. Am Rande von New Delhi finden sich genügend Matratzenlager, wo junge Frauen sich verstecken, um neun Monate fern von der Heimat gut versteckt ein eingepflanztes Baby auszutragen. Bezahlung freilich erst nach Lieferung. "Auf mein eigenes Kind habe ich nicht so viel Rücksicht genommen während der Schwangerschaft. Da habe ich weiter schwer gearbeitet. Aber jetzt hängt ja so viel davon ab", meint eine der Frauen. (Francis Elliott in der Times vom 10.4.2012, dem Sinne nach zitiert aus World and Press vom 2.8.12)
Wenn eine Frau eine Beziehung zu dem von ihr ausgetragenen Säugling entwickeln sollte, ist sie selber schuld. Denn schon vor der Geburt hat sie alle Rechte an dem Kind abzutreten.
Weshalb gibt sich eine Frau dafür her? Damit ihre eigenen Kinder nicht verhungern.

Tun deshalb Organhändler und Leihmuttervermittler ein gutes Werk?

Angesichts des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage und der Zahlungsfähikeit der Käufer aus den Industrieländern wird es wohl so weitergehen. Das heißt nicht, dass man nichts dagegen tun sollte.
Mein Beitrag wären im Todesfall meine Organe. Schlechte Ware im Vergleich zu der Niere eines zwanzigjährigen Flutopfers.
Wenigstens sollte ich gesünder leben, als ich es gegenwärtig tue. Da sollte mir die indische Leihmutter Vorbild sein.

Gegen Organspende spricht sich ein Gastbeitrag auf meinem Blog Fontanefan aus.
Auch ich bin gegen Organspende. Jedenfalls will ich kein Organ gespendet bekommen.
Habe ich recht in Erinnerung, dass alle 18 Minuten ein Antrag auf Organspende gestellt wird? Da wird mein Verzicht nicht viel bedeuten.

Als Steinmeiers Frau hätte ich seine Nierenspende wohl nicht abgelehnt. Aber das wäre ein ganz anderes Kapitel.

Link zu einem Leserartikel zum  Transplantationsgesetz 
Zu Kazuo Ishiguros Roman gegen die Instrumentalisierung von Menschen durch Organspende hier

Montag, 6. August 2012

Ist digitale Beteiligung Scheindemokratie?

"Die digitalen Beteiligungsformen seien Demokratie-Placebos" wird  laut SZ vom 20.5.12 argumentiert.
Es gibt in der Tat genügend Fragestellungen, bei denen ich nicht entscheiden, geschweige denn 300 Stellungnahmen gegeneinander abwägen will.
Differenzierte Diskussionen werden im Normalfall im kleineren Kreis stattfinden. Erst wenn Alternativen formuliert sind, kann der Normalbürger sich auf ein Durchdenken der Positionen einlassen. Dazu gibt es zu viele Enscheidungsfragen.

Marina Weisband "bastelt [am 6.8.12 gegen 22.30] an einer Replik". Ich bin gespannt.

Mittwoch, 1. August 2012

Zur Lage in Syrien

Wenn man Johua Landis folgt, ist das Regime Assad nicht mehr zu retten. (FR 27.7.12)

Aber wegen der Uneinigkeit der Opposition sei ein langer Machtkampf, der das Land im Chaos versinken lasse, fast unausweichlich. Weil der Iran dadurch einen Bündnispartner verliere, erscheine das aus Sicht des Westens vielleicht sogar vorteilhaft. Doch der Irak könne dadurch wegen der Kurden- und der Sunniten/Schiiten-Problematik ebenfalls unregierbar werden.
Zwar kann ich nicht beurteilen, wie weit er Recht hat. Aber dass die Fortsetzung der Diktatur bei solchen Aussichten der Bevölkerung bessere Aussichten versprochen hätte, scheint mir schon denkbar.
Der Unterdückte muss für seine Rechte kämpfen dürfen, wer von außen eingreift - und durch Waffenlieferungen hat der Westen das in erheblichem Umfang getan - sollte eine klare Strategie haben.
Gibt es die?

Glaubwürdigkeit der Politiker

Christian Bommarius argumentiert in der FR vom 27.7.12, die Glaubwürdigkeit der Politiker sei offenbar unbegrenzt, denn:
 Wäre die Ressource Glaubwürdigkeit tatsächlich begrenzt, dann hätte die Mine schon längst ihren Betrieb wegen Erschöpfung einstellen müssen.
Denn Bundestag und Bundesrat arbeiteten im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsfond ESM in verfassungswidriger Weise an der Beschneidung ihrer Rechte, ohne sicherzustellen, dass sie an das EU-Parlament übergehen (zum Nachlesen).

Mittwoch, 25. Juli 2012

Konzept zur Wiederherstellung der Marktwirtschaft

Ein allgemeiner Schuldenschnitt für Euroländer bei einer Verschuldung von mehr als 60% der Jahreswirtschaftsleistung (als Wiederherstellung der nach dem Stabilitätspakt vorgesehenen Ausgangssituation), das wird zur Pleite einer großen Zahl von Banken führen. Aber es würde endlich wieder Marktwirtschaft herstellen, denn: "Risiko und Haftung hängen in einer Marktwirtschaft nun einmal zusammen."
Damit das nicht zu einem Zusammenbruch führt, sieht der Plan außerdem vor:
Nach einer "technischen Sekunde der Insolvenz" soll der Staat nämlich die Banken mit frischem Eigenkapital versorgen und jene Teile fortführen, die für die Volkswirtschaft wirklich relevant sind: das Geschäft mit Kundeneinlagen und die Kreditvergabe an die Wirtschaft. Dadurch soll eine Rezession vermieden werden.

Meine Darstellung des Plans folgt Spiegel online, die schräg gedruckten Passagen sind wörtliche Zitate. Der Plan sieht einige ergänzende Elemente vor. Diese sowie einige Überlegungen zur Kritik des Plans sind bei Spiegel online unter "Neue Ideen zur Euro-Rettung" (25.7.12) von Christian Rickens nachzulesen. Rickens nennt seinen Beitrag "Sahra Wagenknechts erzliberales Manifest".

Ich bin gespannt, ob dieser Plan - nach einer Phase allgemeiner Ablehnung natürlich - unter anderem Namen nach minimalen Veränderungen unter schwarzem oder schwarz-rotem Label aufgegriffen wird oder ob wir weiter schlingern.
Je nach dem wird er in fünf Jahren vergessen sein oder Sarah Wagenknechts wirtschaftspolitlische Fachkompetenz in Fachkreisen - natürlich nicht in Politikerkreisen - allgemein anerkannt.
Ich lege diesen Artikel mal auf Wiedervorlage in 5 Jahren.
Schon jetzt krame ich ein Gespräch von Günter Gaus mit Sarah Wagenknecht von 2004 heraus. Er fragt so geschickt, dass sie trotz ihrer damals noch recht orthodoxen Linie nicht viel sagt, dem ich vehement widersprechen würde. Sie wirkt im Interview nicht nur intelligent, sondern auch erstaunlich selbständig im Denken. Dem folgenden Statement kann ich sogar wörtlich zustimmen: "Wenn sich viele Leute wehren, dann ist auch ein Druckpotential da, das natürlich Politik beeinflusst. Und so sind ja auch historisch diesem Kapitalismus alle sozialen Rechte abgerungen worden, von denen er sich zur Zeit wieder befreit. Das war ja nichts, was als Großzügigkeit irgendwann zugestanden wurde."

Meine eigenen Beobachtungen und Überlegungen zur Eurokrise findet man unter den Labeln Eurokrise und Finanzkrise sowie Exportweltmeister. Auch die kommen hoffentlich zur Wiedervorlage und bleiben nicht bis 2017 fortlaufend aktuell.
(Die Finanzkrise ist - auch in einem anderen Blog - bei mir seit Januar 2008 durchgängig Thema.)

Montag, 23. Juli 2012

Deutsche Bank greift in US-Wahlkampf ein

Das verdient festgehalten zu werden: Die Deutsche Bank und die Allianz unterstützen den Präsidentschaftskandidaten Romney, um eine zweite Amtszeit von Obama zu verhindern.
Viele Anhänger von Obama sind von ihm enttäuscht, weil er zu wenig zur Regulierung der Banken getan hat. Jetzt greifen multinationale Konzerne aus Europa ein, weil sie seine Regulierungsmaßnahmen fürchten. Früher hat man so etwas noch Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates genannt.

Samstag, 21. Juli 2012

Unsichere Arbeitsverhältnisse machen krank

und kosten oft Lebensjahre, schreiben Forscher des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin laut ZEIT-online.

"Eigentlich versorgt Trabert seit 1997 ehrenamtlich nur die Obdachlosen in Mainz und Bingen, neben seiner Professur für Sozialmedizin an der Hochschule Wiesbaden. Kostenlos behandelt er sie in Wohnheimen und fährt mit einem zur Praxis umgebauten Wohnmobil zu Plätzen, an denen sie trinken und betteln. Immer häufiger aber geraten Patienten in seine Sprechstunde, für die sie nicht gedacht war: [..] Erst neulich kam ein alleinerziehender Vater, ganz verzweifelt. Er brauchte Salbe für seine kleine Tochter, um ihre juckende Neurodermitis zu lindern. Der Kinderarzt hatte nur ein Privatrezept ausgestellt, die 30 Euro bezahlen konnte der Vater nicht. Natürlich half Trabert. Für ihn machen solche Vorfälle offensichtlich, dass Gesundheit in Deutschland eine Frage des Geldes wird. Ob Brillen, Zahnersatz, Batterien für Hörgeräte, Physiotherapien oder Verhütungsmittel für über 20-Jährige – nichts davon werde vom Regelsatz im Arbeitslosengeld II berücksichtigt, sagt er. [...] Thomas Lampert vom Koch-Institut glaubt nicht, dass mehr soziale Fürsorge oder ein Ausbau des Gesundheitswesens durch den Staat die Leben der Armen verlängern würden. »Die Lösungen liegen auf dem Arbeitsmarkt und damit in der Gesellschaft.« Sichere Beschäftigungsverhältnisse, faire Löhne, alters- und familiengerechte Arbeitszeitmodelle und eine größere Durchlässigkeit zwischen den Schichten seien Schlüssel für gesündere und damit längere Lebensläufe." (ZEIT-online)

Deutschland ist dank der Agenda 2010 wieder Exportweltmeister geworden. Die Leistungsbilanz ist wieder so unausgeglichen geworden, dass sie mit zum Zahlungsbilanzdefizit der südlichen Euro-Länder beigetragen hat. (Nach dem Stabilitätsgesetz soll das eigentlich vermieden werden, denn ein Exportüberschuss bringt Gefahren mit sich.) Doch dieser Exportüberschuss ermöglicht es uns auch, die südlichen Euro-Länder nach der Pfeife der deutschen Banken tanzen zu lassen.
Sollen wir darauf verzichten, nur weil deutsche Arbeitnehmer davon krank werden?
Ist das wirklich schon Grund genug?

Dienstag, 17. Juli 2012

Beschneidung

Dass das Kölner Landgericht Rechtsunsicherheit in Deutschland schafft, wo seit Jahrzehnten unangefochten ein Brauch geübt wird, der von einem Drittel der Menschheit seit vielen Jahrhunderten geübt wird, scheint wenig sinnvoll. Es hätte vielleicht erst einmal 95 Thesen zu Körperverletzung und Beschneidung in Fachkreisen kursieren lassen sollen, wie es ein nicht ganz so selbstbewusster Wittenberger Theologe in einem ein schon damals strittigeren Fall getan hat. Es hätte aber auch urteilen und den Gesetzgeber zur Schließung einer Gesetzeslücke auffordern können. Denn dass sowohl Ähnlichkeit als auch Unterschiede zur weiblichen Beschneidung bestehen, die seit einiger Zeit in großen Teilen der Welt kritisch gesehen wird, ist offenkundig.

Aber die Diskussion halte ich für sinnvoll. Sie dürfte allerdings von beiden Seiten etwas zielgerichteter geführt werden. Das könnte eine Hilfe für den Gesetzgeber sein.

(Ich habe länger gezögert, etwas zu dieser teils sehr emotional geführten Diskussion zu schreiben.) (vgl. auch SZ)

Freitag, 13. Juli 2012

Menschen nicht ertrinken zu lassen, kann Ärger machen


Die Frankfurter Rundschau berichtet am 13.7.12:
Dass im Mittelmeer zwischen Libyen und Italien, nach der Aussage des einzigen Überlebenden 55 Flüchtlinge ertranken, war den meisten Zeitungen – auch dieser – gerade noch eine Kurzmeldung wert.
„Es ist schwer zu glauben, dass in jenem Teil des Meeres 15 Tage lang kein Schiff sie bemerkte“, argwöhnt die linke italienische Tageszeitung il manifesto, aber offenbar herrsche die Ansicht vor, „wer Ausländern in Schwierigkeiten hilft, wird Probleme haben, auch weil die Staaten die Ausschiffung verhindern und die Ausländer auf den Schiffen bleiben müssen, die sie aufgefischt haben.“
Lorenzo Pezzani von der Hilfsorganisation Boats4People hat den Überlebenden interviewt und ein Video davon bei vimeo ins Netz gestellt. Abbas Saton berichtet, er habe zwei Wochen lang an Überreste des Bootes geklammert im Meer getrieben, bis tunesische Fischer ihn entdeckten und ihn der Küstenwache übergaben. Nicht jede Rettung läuft für die Retter so glimpflich ab. Nur wenn die Retter sicherstellen, dass die Behörden die Geretteten ohne weiteres wieder abschieben können, werden sie keine Schwierigkeiten haben. Das gilt freilich nur für Nicht-EU-Bürger. EU-Bürger dürfen vor europäischen Küsten gerettet werden. Können wir uns damit zufrieden geben?

Dienstag, 10. Juli 2012

Meldegesetz und Datenschutz

Welche Empörung über die Volkszählung von 1983 und jetzt das: 57 Sekunden für das Meldegesetz, das (dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen) eine Widerspruchsregelung einführt, obwohl offiziell (fast) alle für die Einwilligungsregelung sind, vor allem die, die das Gegenteil durchgesetzt haben. Ein guter Kommentar in Spiegel online.

Neues vom Verfassungsschutz


 Katharina König (MdL) von der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag hat auf der Homepage des Jugend- und Wahlkreisbüros Haskala Zitate aus Sitzung vom 9.7.12 des Untersuchungsausschusses des Landtages zur NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) mitgeteilt.
Daraus zitiere ich hier die 10. Aussage von Helmut Roewer, dem ehemaligen Chef des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz:
“Wie ich Verfassungsschutz-Präsident wurde? Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte eine mir unbekannte Person eine Ernennungs-Urkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.”

Entweder ist er inzwischen so radikal rechts orientiert, dass er die Ausschussarbeit lächerlich zu machen versucht oder es herrschten dort wirklich unhaltbare Zustände. Laut taz vom 14.11.2011 schreibt er jetzt für einen als rechtsextrem eingeschätzten Verlag. Mehr zu dem Untersuchungsausschuss bei Spiegel online.

Nachtrag vom 11.7.12:
Sachsens Verfassungsschutzchef tritt zurück
Nachtrag vom 13.7.12:
Minister und Staatssekretär, die mir Roewers Ernennung nichts zu tun haben wollten, waren die Hauptbeteiligten.

Nachtrag vom 18.10.12:
Inzwischen stellt sich heraus, dass der Verfassungsschutz noch mehr NSU-Akten geschreddert hat, als bisher bekannt war. (vgl. auch NSU-Untersuchungsausschuss) 284 Akten vernichtet.

Sonntag, 8. Juli 2012

Gauck wünscht Erklärung der Politik in der Eurokrise

Joachim Gauck hat in seinem Sommerinterview gefordert, Merkel solle der Bevölkerung genauer erklären, was ihre Aktionen zur Eurorettung bedeuten.
Seine Äußerungen tragen bisher wirklich dazu bei, dass manches in den Medien genauer betrachtet und dadurch für die Bürger in seinen Implikationen deutlicher erkennbar wird.

Sonntag, 1. Juli 2012

Unser Problem ist nicht die Welt, in der wir leben, sondern die, in der wir zu leben glauben

Wir richten unser Handeln nämlich nicht an der Wirklichkeit aus, sondern an dem, was wir für die Wirklichkeit halten.
Falls Soros mit seinem Spiegel-Interview vom 26.6. Recht haben sollte, dann steckt Merkel gegenwärtig alle ihre Energie darein, eine Strategie durchzusetzen, die Europa und damit Deutschland immer tiefer in die Krise treibt.
Ob er mit seinen Überlegungen im einzelnen Recht hat, weiß ich nicht. Aber dass die Bundesrepublik nicht ungestraft ihre Nachbarn dauerhaft in eine negative Handelsbilanz treiben kann, davon bin ich überzeugt.
Übrigens hat Frankreich auch nicht geradezu davon profitiert, dass es nach dem Ersten Weltkrieg so lange Härte gegenüber Deutschland gezeigt hat, bis die Mehrzahl der Deutschen Hitler in die Arme gelaufen ist.

Ich jedenfalls würde nicht darauf wetten, dass die Bevölkerung aller verschuldeter Euro-Staaten sich eine dauerhafte Sparpolitik aufzwingen lässt, ohne irgendwann einmal nach rechts abzudriften.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Betreuungsgeld

Eine wissenschaftliche Studie, wonach der Einsatz öffentlicher Mittel für Betreuungsgeld schädlich sei, stützt seine Kritiker.
Bei aller Skepsis gegenüber Auftragsstudien. Immerhin war es möglich, so ein Ergebnis produzieren zu lassen.
Mehr dazu habe ich am 6.6. geschrieben.
Zur Abstimmung im Bundestag vgl.ZEIT online vom 15.6.

Dienstag, 19. Juni 2012

Bundeswehr, Gauck und Grundgesetz

Es immer noch keine unterm-Arm-Ausgabe des Grundgesetzes weder für Bundesinnenminister noch für Bundespräsidenten, schade!
Aber vielleicht könnte man für Joachim Gauck ja eine Hörbuchausgabe des Grundgesetzes erstellen, die er vor dem Einschlafen hört. Dann hätte er den Artikel 87a wenigstens schon einmal gehört, auch wenn er vielleicht noch nicht von ihm gehört hat. Denn dort heißt es in Absatz 2: "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt."
Denn warum sagte er bei seinem Antrittsbesuch bei der Bundeswehr am 12.6.12 
"Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika, im Einsatz gegen Terror und Piraten – wer hätte so etwas vor zwanzig Jahren für möglich gehalten? Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, werden heute ausgebildet mit der klaren Perspektive, in solche Einsätze geschickt zu werden – mit allen Gefahren für Leib, Seele und Leben", ohne diesen Artikel zu erwähnen. Denn der wäre doch die wichtigste Basis für die von ihm geforderte Diskussion darüber "was Ihnen abverlangt wird und welche Aufgaben wir von Ihnen in der Zukunft erwarten. All das darf nicht allein in Führungsstäben und auch nicht allein im Parlament debattiert werden. Es muss da debattiert werden, wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben: in der Mitte unserer Gesellschaft." (sieh hier)
Ich für mein Teil will diese Diskussion nicht verweigern. Die Bundesrepublik wird meiner Meinung nach am Hindukusch nicht verteidigt, sondern zur militärischen Absicherung eines Regimes eingesetzt, das nicht die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung findet. Deshalb ist dieser out-of-area-Einsatz meiner Meinung nach verfassungswidrig. 
Die Behauptung, dieser Einsatz sei als humanitäre Intervention gerechtfertigt, war schon von Anfang an fadenscheinig, im Laufe der Jahre ist es es noch mehr geworden. Es war ein Einsatz zur Terrorbekämpfung, der dazu geführt hat, dass Taliban und Al Kaida ihren Einfluss weit über Afghanistan hinaus bis tief nach Pakistan und in andere Staaten ausgedehnt haben. 



Samstag, 16. Juni 2012

16 Anzeigen gegen Facebook

Der Jurastudent Maximilian Schremps hat herausgefunden, dass Facebook in vielfältiger Weise gegen das Datenschutzrecht verstößt und 16 Anzeigen erstattet.
Datenschützer, Medien und Politiker sind darauf aufmerksam geworden. Die zuständige EU-Kommissarin hat angekündigt, ihrerseits aktiv zu werden.
Es stimmt mich hoffnungsfreudig, dass es solche Menschen gibt, und zugleich ist es erschreckend, wie viel an notwendiger Kontrolle nur über Privatinitiative zu erreichen ist. Sind Demokratie und Rechtsstaat wirklich so schwach?

Donnerstag, 7. Juni 2012

Was lange währt ... oder wird wieder nichts draus?

Angeblich gab es im Zusammenhang mit der Fiskalunion eine Einigung zwischen Regierung und Opposition über die Finanztransaktionssteuer.
Vor gut 2 Jahren hab ich nicht dran geglaubt, darf ich jetzt?

22.6.: Schäuble hat ganz, ganz kleine Brötchen vorbereitet. Jetzt sollen sie in einen Tischbackofen.
Immerhin.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Anspruch auf Kitas, Betreuungsgeld oder Famlienpolitik?

Die Zahl der Neugeborenen hat sich halbiert, der Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Kinder versechzehnfacht, das ist der große Skandal der deutschen Nicht-Familienpolitik der letzten Jahrzehnte. So erinnere ich die Aussage des Sozialrichters Jürgen Borchert in hr-info vom 6.6.12.
Sein darauf folgendes Plädoyer (dem Sinne nach):
„Wir müssen endlich die Erziehungszeiten als das betrachten, was sie sind: ein gleichwertiger Beitrag wie die Geldleistungen für den Rentenbeitrag.“

Katharina Schmieder gibt die entsprechende Aussage Borcherts in seinem Referat am 20.7.2007 differenzierter, aber auch etwas schwerer verständlich wieder:
"Borcherts Lösungsvorschlag sieht den Abzug des Unterhalts der Kinder von der Bemessungsgrundlage in der Sozialversicherung, die Rückzahlung der indirekten Steuerbelastung beim Kindesunterhalt durch eine Form des Kindergeldes und die Berücksichtigung der Kinder bei der Einkommenssteuer nicht nur mit dem Existenzminimum, sondern mit den Durchschnittkosten vor. Das Ergebnis sei kein Geschenk an die Familien, sondern nichts anderes als Gleichbehandlung im Abgabesystem."

Ich denke, er hat Recht.

Kitas für Kleinkinder unter drei Jahren sollen den Fachkräftemangel beheben, das Betreuungsgeld die Unerfüllbarkeit des versprochenen Rechtsanspruchs verschleiern. Beides wird nicht dazu beitragen, dass Frauen die ungerechte Behandlung erspart wird, wenn sie die Dreifachbelastung von Kindererziehung, Haushaltsführung und Berufstätigkeit nicht durchhalten. Wer kann ihnen verdenken, dass sie sich in dieser Situation immer häufiger gegen Kinder entscheiden?

7.6.:
Über 24-Stunden-Kitas

Donnerstag, 31. Mai 2012

Gauck präzisiert Aussagen von Wulff und Merkel

Wulff hatte gesagt: "Der Islam gehört zu Deutschland." Freilich gab es auch ein Deutschland, in dem der Islam keine Rolle spielte.
Gauck sagt: "Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland."
Merkel sagte, die Existenz Israels sei Teil der deutschen Staatsräson.
Gauck sagt: "Es ist ein moralischer Appell an uns selber, bei dem ich sehr besorgt bin, ob wir die Größe dieses Anspruchs an uns selbst in politisches Handeln umzusetzen vermögen."
vgl. dazu Gauck-Interview mit der ZEIT


Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, wandte gegen Gauck ein: "Das europäische Abendland steht ganz klar auch auf muslimisch-morgenländischen Beinen. Wer das leugnet, betreibt Geschichtsfälschung", doch setzte er auch fort, Gauck könne "ein guter Moderator und Schirmherr" einer Debatte über den europäischen Islam sein.
vgl. Zeit

Mittwoch, 23. Mai 2012

Wie sich die Bilder gleichen


"Ypsilanti hat im Wahlkampf erklärt, sie werde keinesfalls mit der Linken zusammenarbeiten, um Ministerpräsidentin zu werden.
Das hat Koch im Amt gehalten.
Steinmeier erklärt, er werde keinesfalls mit der Linken zusammenarbeiten, um Bundeskanzler zu werden.
Das garantiert den Parteien, die er bekämpfen will, dass wenigstens eine von ihnen an die Regierung kommt. Und da er außerdem die FDP angreift, arbeitet er außerdem noch aktiv daraufhin, eine Ampel und damit seine Kanzlerschaft zu verhindern.
Das ist nahezu eine perfekte Jobgarantie für Merkel.
Fazit: Wie vorher Ypsilanti die Wähler daran hinderte, Koch abzuwählen, so unternimmt Steinmeier jetzt dasselbe für Angela Merkel. Ein wichtiger Unterschied ist freilich: In Hessen war die Mehrheit gegen Kochs Wiederwahl, in Deutschland sieht es gegenwärtig mitnichten danach aus, dass die Wähler partout Merkel loswerden wollen. Aber eine linke Mehrheit ist gar nicht so unwahrscheinlich. Nur hat Steinmeier dafür Sorge getragen, dass die Merkel nicht gefährden wird.
Eine merkwürdige Art von Wahlkampf."
Das habe ich im September 2009 an anderer Stelle geschrieben.


Jetzt schreibt Wolfgang Münchau in Spiegel online:
Der französische Präsident Hollande will Euro-Bonds. Doch die kleinmütige SPD schafft es nicht, ihn mit voller Kraft zu unterstützen. Dabei böte sich gerade jetzt eine Chance, die europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik nach linken Vorstellungen umzugestalten.
Und er schreibt noch mehr ... 
Er meint, der SPD fehlt der Killerinstinkt. Ich würde es nicht Killerinstinkt nennen.


Sonntag, 20. Mai 2012

Eurokrise: Erst haben die Banken sich verzockt ...

Bei der Einführung des Euro war man sich darüber im klaren, dass die Einführung einer Währungsunion ohne eine einheitliche Wirtschaftspolitik des Euroraumes wirtschaftlich höchst problematisch war. Man hielt sie aber für politisch notwendig, um das wiedervereinigte Deutschland stärker in die Europäische Union einzubinden.

Das Instrument, mit dem man eine aufeinander abgestimmte Wirtschaftspolitik erreichen wollte, der Stabilitätspakt, war dafür denkbar ungeeignet.
Wenn man jemandem, der sich übermäßig verschuldet hat, eine Geldstrafe auferlegt, muss man sich vorher überlegen, wie man sicherstellt, dass er  sie auch bezahlen kann. Das ist nicht geschehen.
So wurde der Euro zu einer Aufforderung an die Staaten des Euroraumes, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht als Zielprojektion aufzugeben.
Griechenland, z.B.,leistete sich ein enormes Zahlungsdefizit in der Gewissheit, dass das zu keiner Abwertung führen werde. Deutschland,z.B., förderte die Verschuldung anderer Staaten des Euroraumes mit aller Macht, um einen hohen Exportüberschuss zu erzielen.
Ob das auf längere Zeit hätte gut gehen können, ist nicht mehr nachzuweisen. Tatsache ist, dass es aufgrund der Finanzkrise ab 2007 geradewegs in die Eurokrise geführt hat.

Das Steitgespräch von Sarrazin und Steinbrück im NDR ging nach dem, was ich daraus gehört habe, an diesem Kernproblem vorbei.
Nach der in Spiegel online gegebenen Zusammenfassung kamen dann aber doch wesentliche Fragen auf.
Interessant auch die Kommentare zur Sendung
z.B. Zeolith:
"Steinbrück war das Genie, dass den Landesbanken empfahl, sich im US-Hypothekenmarkt einzudecken.
Ergebnis: Verluste im 2-stelligen Mrd. Bereich.
2008 hat er erst die IKB-Verluste sozialisiert um die Deutsche Bank vor Schaden zu bewahren.
Das war nicht genug, es folgte die HRE, die er verstaatlichen ließ um weitere Privatbanken vor Verlusten zu schützen - natürlich just in dem Moment wo die Hypovereinsbank aus der Gewährträgerhaftung für die faulen Wertpapiere, die sie der HRE hinterließ, raus war.
Ein 3-stelliger Milliardenverlust."
(hier, Beitrag 549)

Deutlich pointierter kommentiert freilich Jakob Augstein:
 "Erst haben sich die Banken verzockt. Dann haben die Staaten sie gerettet. Und dann haben die Banken diese Rettung durch steigende Zinsen für die Staaten immer teurer gemacht. Dieses System ist pervers. Es wäre jetzt der Moment gekommen, es abzuschaffen."


Bei dieser Gelegenheit  Neues über Blockupy

Liquid Feedback Bundesinstanz

Bei den Piraten tut sich etwas, was Außenstehende nicht recht durchschauen. Schon die Abkürzung: LQFB.

SZ spricht von www (wirkungslose Wunderwaffe).

Samstag, 19. Mai 2012

Würde des Ichs

Facebook gefährdet sie nicht erst durch seinen Börsengang, doch jetzt wird es die Daten verkaufen müssen, auf deren Nutzung die spekulieren, die Facebook gekauft haben. (vgl. J. Schlandt)
Zusatz am 20.5.: Sammelklage von Facebooknutzern gegen Facebook

Gefährden soziale Netze das vertiefte Nachdenken des Einzelnen?
Fichte, dessen 250. Geburtstag wir heute feiern, kam über die Bewunderung von Kants Philosophie zu einer eigenen. Hätte er nicht besser Netzwerker zur Verbreitung der Kantschen Gedanken spielen sollen?
War das Eigene seiner Philosophie eine lebenslange Anstrengung wert. (vgl. O. Böhmer in FR vom 19.5.12)

Beliebt sind heute Mediation und Meditation. Sollten wir nicht besser kontemplieren? (vgl. M. Kiyak)

Freitag, 18. Mai 2012

Frankfurt blockiert sich aus Furcht vor Blockupy

 Banken haben geschlossen, Busse fahren nicht, U-Bahnen halten nicht.

Spiegel online hält ein Interview mit David Graeber, einem Begründer der Occupy-Bewegung.

Party der 20 000 gegen Kapitalismus

Georg Schramm über occupy Frankfurt

FAZ über das occupy-Camp

Mittwoch, 9. Mai 2012

dem Rundfunk verdankt

Blockupy gegen deregulierte Banken
   über die neusten Pläne berichtet die taz am 15.5.

breaking the silence oder Schovrim Schtika

Baruch Goldstein tötete 1994 29 Menschen und verletzte über 150.
       In Reaktion auf das Massaker wurde zum Schutz vor Gegenreaktionen die palästinensische Bewegungsfreiheit in Hebron eingeschränkt. Das gilt noch heute.

Zusatz vom 15.5.:
Seehofer: "Sie können das alles senden."

Dienstag, 8. Mai 2012

Was ist schlimmer: der Klimawandel oder die Finanzkrise, die seine Bekämpfung erschwert?

Nach der Einschätzung des Club of Rome verhindert die gegenwärtige Reaktion auf die Finanzkrise, dass der Klimawandel rechtzeitig gebremst werden kann.

Freitag, 4. Mai 2012

François Hollandes Selbstdarstellung

François Hollande hat im Streitgespräch mit Sarkozy für sich die Latte hoch gelegt, was er als Präsident leisten will, gleisam sein eigenens "Mehr Demokratie wagen" formuliert: "Moi, Président de la République" (sieh Spiegel online)

Mittwoch, 2. Mai 2012

Chen Guangcheng

Es gibt widersprüchliche Berichte über  Chen Guangchengs Zeit in der US-Botschaft und seine (?) Entscheidung, sie wieder zu verlassen. (Dazu auch tagesschau.de)
Es wird sinnvoll sein, die Wikipedia von Zeit zu Zeit nachzulesen, welche Berichte sich in Zukunft als glaubwürdiger erweisen.

Montag, 30. April 2012

Eltern oder Kitas? Was ist besser für Kinder?


„Bildung muss in der Kita beginnen“ 
"Wir wissen aus einer Untersuchung des Prognos Instituts, dass sich jeder Kita-Platz volkswirtschaftlich schon nach einem Jahr rechnet, weil Mütter dann erwerbstätig sein können, Steuern und Sozialabgaben zahlen, anstatt Transferleistungen zu beziehen."
(Hannelore Kraft in FAS vom 29.4.12)
Auch jeder Verkehrsunfall steigert das BIP.


Bildung ist nicht das, was sich "schon nach einem Jahr rechnet", und sie beginnt schon beim Eltern-Kind-Kontakt der ersten Monate.


Nubbek-Studie

Sonntag, 29. April 2012

Piraten: Wahlen zum Bundesvorstand

Eindrucksvoll, wie neue Führungsfiguren der Piraten darauf bestehen, wenn irgend möglich keine eigene Meinung zu vertreten (laut Tagesspiegelblog vom 29.4.12) und wie eine Beisitzerin durch Meinungsvielfalt von sich reden macht.
Bernd Schlömer, der neue Vorsitzende, hat freilich auch eine Meinung, rückt aber nicht immer damit heraus.
(vgl. auch ZEIT-Bericht zum Parteitag)

Sonntag, 15. April 2012

Deutschland kann nicht verhindern, dass es Waffen nach Syrien liefert. Wie geht das?

Ein Frachter mit Waffen aus deutscher Produktion ist zwischen Zypern und Syrien entdeckt und zum Stoppen aufgefordert worden. Jetzt sendet er keine Ortungssignale mehr und müsste mühsam aus der Luft gesucht werden.
Da das Schiff nicht unter deutscher Flagge fährt, widerspräche es dem Seerecht, wenn es aufgehalten würde.
Um es zu stoppen, müsste daher zunächst ein Rechtshilfeersuchen an Antigua und Barbuda gerichtet werden - was lange dauern dürfte. Behält das Schiff allerdings seinen Kurs auf Syrien bei, dürfte es bereits in wenigen Stunden dort ankommen. (so Spiegel online am 14.4.12)

Samstag, 7. April 2012

Ostermärsche 2012

Grass' Gedicht hat eine Bö im Blätterwald verursacht. Im Werk des Nobelpreisträgers wird es kaum lage sichtbar bleiben.
Die Ostermärsche begannen in den 50er Jahren udf den Britischen Inseln. Schon sie richteten sich gegen atomare Bedrohung. Sie richten sich noch heute gegen Rüstung und Rüstungsexport.
Meine Soldarität gilt allen Ostermarschierern auch dieses Jahr (Termine und Themen)
Zum Ablauf

Donnerstag, 5. April 2012

Wie richtig liegt Günter Grass?

Grass hat ein politisches Gedicht geschrieben, das Christoph Sydow darauf prüft, ob die darin angenommenen Voraussetzungen (er nennt sie "Thesen") auch wirklich zutreffen. Er tut es unter dem Titel "So falsch liegt Günter Grass". Nach seiner Darstellung sind von den 8 Annahmen von Grass 6 mehr oder minder korrekt.
Es bleiben also noch zwei Thesen übrig.
Zur ersten: Den Satz "das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig" deutet Sydow als These "Wer diese Sachverhalte benennt, gerät unter Antisemitismusverdacht." Grass unterstellt freilich nicht, dass jeder, der so etwas sagt, also etwa auch regimekritische Israelis, unter Antisemitismusverdacht geriete, sondern nur, dass bei Angriffen auf die Politik des Staates Israel das Verdikt "Antisemitismus" nahe liegt. Die Reaktion auf sein Gedicht - hier kann man von self-fulfilling prophecy sprechen - bestätigt seine Behauptung.
Zur zweiten These: Ein Erstschlag könnte "das iranische Volk auslöschen".
Woher bezieht Sydow die Sicherheit, dass ein atomarer Erstschlag keinen Atomkrieg auslösen kann, in dem dann mehr Völker als nur das iranische ausgelöscht werden könnten?
Hat die Abschreckungsstrategie jahrzehntelang nur deshalb funktioniert, weil Militärs und Politikern gar nicht klar, war, dass ein atomarer Erstschlag gar keinen allgemeinen Atomkrieg auslösen kann?

Anscheinend liegt Grass also gar nicht so falsch, sondern ganz erheblich weniger.

Meine Kritik an Grass' Gedicht ist eine ganz andere:
Er schreibt in einem Gedicht etwas, was in anderer Form schon öfter gesagt wurde, und nennt dann dies Gedicht "Was gesagt werden muss". Es wäre präziser gewesen, wenn er es etwa wie folgt betitelt hätte:
"Was endlich auch der Nobelpreisträger Günter Grass in ein Gedicht schreiben muss, damit es weltweit wahrgenommen wird".
Ich unterstelle ihm, er tat es aus Bescheidenheit nicht.
Oder liege ich damit etwa falsch?

Wenn einen Sydows Vorstellungen wenig interessieren: Hier gibt's noch etwas anderes zu Grass und zu Broder.
Die ARD hat ein 27-minütiges Interview mit Grass zu den von ihm im Gedicht angesprochenen Fragen gesendet, das hier nachzuhören und -sehen ist. Argumentativ scheint es mir weit weniger stimmig als das Gedicht, doch nutzt er die Gelegenheit des Medieninteresses, um weitere Fragen anzusprechen, die ihm auf dem Herzen liegen.
Die Hauptpunkte, die er nennt, sind folgende:
Netanjahu droht mit einem Angriff auf den Iran.
Israel ist eine Atommacht.
Die Bundesrepublik liefert ihr ein 6. U-boot, obwohl an sich ein Verbot, Waffen in Krisengebiete zu liefern, besteht.
Die Siedlungspolitik Israels ist geeignet, die Spannungen im Nahen Osten zu vermehren.

Diese Punkte halte ich durchweg für eine zutreffende Beschreibung der Situation. Aus deutscher Sicht besteht vor allem bei der Abstellung des Rüstungsexportes in Krisengebiete Handlungsbedarf.
Dieser Punkt geht in der allgemenen Aufregung leider unter.

Nachtrag vom 3.6.12:
Meldung von Spiegel online: Von Deutschland nach Israel gelieferte U-boote wurden mit Atomwaffen bestückt.

Dienstag, 27. März 2012

Freiheit und Verantwortung - Gauck und Di Fabio

Gauck plädiert für Freiheit und Verantwortung, recht so. Solidarität und gar Kapitalismuskritik sind ihm eher fremd, so weit er sie nicht gar als "unsäglich albern" empfindet.
Da lese ich interessiert, was der als konservativ eingeschätzte Staatsrechtler Di Fabio über Freiheit und Solidarität sagt:

Es geht um die Fähigkeit, aus Freiheit Bindung wachsen zu lassen. In einer freien Gesellschaft kann es nicht immer darum gehen, noch mehr Fesseln abzustreifen, sondern überlegten Gebrauch von der Freiheit zu machen. Es geht um das Prinzip freier Entfaltung zur Persönlichkeit, es geht um Bildung und Bindung. Andere Werte sind Solidarität, die aus Einsicht und Zuneigung zu Anderen wächst, aber immer auch um Eigenverantwortung und ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit, wenngleich wir den lockeren Lebensstil hedonistischer Orientierungen nicht verteufeln sollten. Selbstverwirklichung ist nicht negativ gemeint, sondern als im Konzept einer verantwortlichen Freiheit mitgedacht.

und jetzt über Demokratie und Markt:
Demokratie und Markt können sich selbst gefährden, sind aber vor allem Institutionen, die der Freiheit des Einzelnen dienen. Ohne Markt wäre der Mensch auf den verteilenden Staat angewiesen und würde so in seiner Existenzgrundlage von politischer Herrschaft abhängig werden. Aber der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith vertrauen wir nicht allein. Das Zusammenspiel von Demokratie und Markt hat sich als sehr erfolgreich erwiesen und ist das Modell, welches individuelle Freiheit am stärksten ermöglicht. Ein völlig ungeordneter Markt wird auch von Liberalen nicht erwartet, da dieser sich selbst gefährden würde.

Mehr dazu in der FR vom 27.3.2012

Nachtrag vom 12.7.12:
Weltweit schwindet das Vertrauen in den Kapitalismus (Spiegel online). Offenbar ist allerdings primär der gegenwärtige Marktradikalismus gemeint. Aber das lässt sich ja auch wirklich nicht sauber trennen.